Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft“ im hdgö
Lorenz Paulus, hdgö
Lorenz Paulus, hdgö
bis 3.9.2023

„Ende der Zeitzeugenschaft“

Wenn Holocaust-Überlebende erzählen, tun sie das einer Situation, in der von ihnen etwas erwartet wird. Ein großer Teil der Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft“ im Haus der Geschichte Österreich (hdgö) in Wien erlaubt einen Rückblick auf verschiedene Zeiten der Zeugenschaft.

Dies betonte Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, gestern vor Medien. Eine grundsätzliche Frage der Schau lautet: „Was tun wir mit diesem uns überlieferten Zeitzeugenwissen?“

„Ende der Zeitzeugenschaft“

Haus der Geschichte Österreich, Neue Burg – Heldenplatz, 1010 Wien; von 27. Jänner bis 3. September 2023

„Gemachtheit“ der Zeitzeugeninterviews

Die Sonderausstellung, in Hohenems entwickelt und auf Wanderschaft gegangen, dreht sich um die zu Ende gehende Ära der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und hinterfragt die „Gemachtheit“ der Zeitzeugeninterviews. Besucherinnen und Besucher bekommen etwa die Möglichkeit, „die Interviews als Ganzes zu sehen, mit all dem Schweigen, Outtakes und technischen Hickhacks“, sagte Kuratorin Anika Reichwald. Zugleich wird sichtbar, welche Minuten des jeweiligen Gesprächs schließlich verwendet wurden, weil sie für ein bestimmtes Narrativ wichtig sind.

Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft“ im hdgö
Lorenz Paulus, hdgö

Zukünftiger Umgang mit Zeugnissen

„Jeder von uns schaut auf die Geschichte mit dem Blick der Gegenwart und mit unseren Interessen“, führte Loewy aus. Diesen Prozess macht die Ausstellung transparent, sie deutet verschiedene Formen erzählter Erinnerungen und ihre gesellschaftliche Rolle vor dem Hintergrund der aktuellen Veränderungen neu und thematisiert Ansätze zu einem zukünftigen, reflektierten Umgang mit Zeugnissen. Es gelte einen Umgang auch damit finden, „eine Generation in diese Themen reinzuholen, die anders als wir vielleicht nicht mehr die Möglichkeit hat, mit den Überlebenden in direkten Kontakt zu kommen“, betonte Reichwald.

Auf der Website des hdgö lässt sich Material herunterladen, dass in Verbindung mit der Ausstellung, aber auch unabhängig davon im Schulunterricht verwendet werden kann.

Platzierung vor dem Ausgang zum Altan

Die Schau startet heute am Internationalen Holocaust-Gedenktag und wurde „passend für Wien erweitert“, berichtete hdgö-Direktorin Monika Sommer. Spezifische Interviewausschnitte von Überlebenden thematisieren den österreichischen Blick. „Und wir haben diese Interviewausschnitte auch just vor dem Ausgang zum Altan der Neuen Burg platziert, um hier auch räumlich ein interessantes Spannungsfeld zu erzeugen zwischen dem bis heute sehr vulnerablen Ort und den Stimmen von Zeitzeugen, die wir ihm gegenüberstellen.“

Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft“ im hdgö
Lorenz Paulus, hdgö

Drei thematische Blöcke

Die Ausstellung besteht aus drei thematischen Blöcken. Der erste, ein Blick hinter die Kulissen, soll ein Gespür vermitteln, „wie gemacht ein Interview ist“, so Reichwald. Präsentiert wird ein Querschnitt von verschiedenen Erzählmodi. Ein historischer Abriss vermittelt, wie sich der Prozess des Zeugnisablegens gewandelt hat und wie die Gesellschaft diese Zeitzeugenberichte wahrnimmt und drauf reagiert. Und schließlich beschäftigt sich die Schau mit dem Thema Institution und Zeitzeugenschaft. „Wir sitzen auf dem Material, und für uns als Institution muss es darum gehen, einen vernünftigen, nachhaltigen, selbstreflektieren Umgang damit zu finden.“