Literatur koreanischer Autorinnen und Autoren
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Höhenflug der koreanischen Literatur

Die Literatur koreanischer Autorinnen und Autoren erlebt gerade einen Höhenflug. Ins Deutsche übersetzt überzeugen die Romane durch ihre Unvorhersehbarkeit. Rasante Erzählungen beschäftigen sich mit unangenehmen Wahrheiten, bearbeiten gekonnt die traumatische koreanische Geschichte und fischen in allen literarischen Genres.

Es gibt scheinbar nur eine Gemeinsamkeit: Es darf nicht langweilig werden. Lange flog die koreanische Literatur unter dem internationalen Literaturkritik-Radar. Durch das Engagement mutiger Übersetzerinnen und Übersetzer heimsen sie nun zahlreiche Literaturpreise ein. Aktuellstes Beispiel ist die Autorin Bora Chung, die es mit ihren Horror-Kurzgeschichten unter dem Titel „Cursed Bunny“ in englischer Übersetzung von Anton Hur auf die Shortlist des renommierten Internationalen Booker Prize 2022 schaffte. Auf deutschen Webseiten wird die Yale-Abgängerin irrtümlicherweise als männliche Autor angepriesen. Bora Chungs Werk wurde bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt. Selbst ist neben ihrer literarischen Arbeit als Übersetzerin für russische und polnische Literatur ins Koreanische tätig.

Vier Empfehlungen der Literatur koreanischer Autorinnen und Autoren:

„Als Mutter verschwand“ von Kyung-Sook Shin
Piper Verlag

Kyung-Sook Shin: „Als Mutter verschwand“

Übersetzung Cornelia Holfelder-von der Tann, Piper Taschenbuch, 2014, 256 Seiten, ISBN: 978-3492303897

„Als Mutter verschwand“ von Kyung-Sook Shin

Die Essenz von allem in etwas Kleinem, das ist Kunst. Diese Erkenntnis gilt für die 250 Seiten eines Romans, der große Dinge wie den Generation Gap, das ewig bestehende Stadt-Land-Gefälle, den Wandel einer bäuerlichen Gesellschaft in die Moderne, die menschlichen Gefühlsskalen, Traumas im Rahmen der Biografie einer Koreanerin aus fünf Perspektiven beleuchtet. „Eine Woche ist es jetzt her, dass Mama verschwunden ist“, so beginnt die Erzählung, die Seite für Seite, Schicht um Schicht das Leben einer Frau, einer Analphabetin und gekonnten Bäuerin freilegt und das aus der Perspektive der Kinder und des Mannes. Gespannt warten die Leserinnen und Leser, ob die hilflose Mutter in der Zehnmillionen-Metropole Seoul gefunden werden kann. Der im Piper Verlag erschienene Roma „Als Mutter verschwand“ ist in jedem Fall eine Lektüre, die einen zum Telefon greifen lässt, um mit den Lieben so schnell wie möglich Kontakt aufzunehmen.

Die Autorin Kyung-Sook Shin ist Koreas erfolgreichste Autorin. Wie ihre Figur im Buch lebt die Schriftstellerin in Seoul. Ihre Mutter lebt bis zum heutigen Tag am Land im Südwesten Koreas. Mit „Als Mutter verschwand“ gelang Kyung-Sook Shin der internationale Durchbruch. Das Buch – ins Deutsche übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann – ist derzeit allerdings nur gebraucht erhältlich.

„Die Vegetaerierin“ von Han Kang, erschienen im Verlag aufbau taschenbuch
atb

Han Kang: „Die Vegetarierin“

Übersetzung Ki-Hyang Lee, Verlag aufbau taschenbuch, 2017, 190 Seiten, ISBN: 978-3746633336

„Die Vegetarierin“ von Han Kang

„Bevor meine Frau Vegetarierin wurde, hielt ich sie in jeder Hinsicht für völlig unscheinbar.“ Der Mann der Vegetarierin schenkt seiner Gattin wenig Aufmerksamkeit, was sich jedoch im Laufe des dreiteiligen Romans noch entscheidend ändern soll. Aufgerüttelt durch einen Traum, verzichtet die Protagonistin auf jede Form von Fleisch. Sie kann nicht mehr schlafen, weil sie den fleischigen Geruch ihres Mannes nicht erträgt. Die Story handelt jedoch nur an der Oberfläche von Veganismus. Es ist eine radikale Abrechnung mit Geschlechterhierarchien und Schubladisierung. Die Radikalität der Veganerin sprengt ihr soziales Umfeld und der Traum nimmt überhand über die Realität. Spannend bis zur letzten Zeile!

Die Autorin Han Kang hat für die englische Übersetzung des Buches „The Vegetarian“ 2016 den Man Booker International Prize – als erste Koreanerin – gewonnen. Han teilte sich die Auszeichnung mit ihrer englischsprachigen Übersetzerin. Die deutsche Übersetzung des Romans – von Ki-Hyang Lee – ist im aufbau taschenbuch Verlag erschienen.

CHO NAM-JOO
„Kim Jiyoung, geboren 1982“ von Cho Nam-Joo, erschienen im Verlag KiWi
Kiepenheuer & Witsch

Cho Nam-Joo: „Kim Jiyoung, geboren 1982“

Übersetzung Ki-Hyang Lee, KiWi Verlag, 2021, 208 Seiten, ISBN: 978-3462053289

„Kim Jiyoung, geboren 1982“ von Cho Nam-Joo

Der Spiegel-Bestseller „Kim Jiyoung, geboren 1982“ ist fiktionale Literatur, die jede Nuance wissenschaftlich untermauert. Anhand der Geschichte einer südkoreanischen Frau wird das Leben aller Frauen in Korea verhandelt und es geht noch darüber hinaus. Es spiegelt kollektive Erfahrungswelten des weiblichen Teils der Menschheit. Die Bevorzugung von männlichen Familienmitgliedern, die Erwartungen an Frauen in Bezug auf das Kinderkriegen und die Heirat, sexuelle Übergriffe und die Diskriminierungen in der Arbeitswelt und Gesellschaft bleiben von ihrer Aussagekraft nicht im Südkoreanischen verhaftet. Die Protagonistin schildert die weiblichen Lebenswelten aus der Sicht der Frauen, die Einblick in ihr Leben und Denken bieten, und dadurch wird der Roman der globalen Verbundenheit von Frauen mehr als gerecht. Das Buch hat das Potenzial, Denken zu verändern.

Die Autorin Cho Nam-Joo arbeitet als Drehbuchautorin in Seoul. Ihr Roman wurde weltweit zwei Millionen Mal verkauft und verfilmt. Der ins Deutsche von Ki-Hyang Lee übersetzte Roman ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen.

„Aufzeichnungen eines Serienmörders“ von Kim Young-Ha, erschienen im Cass Verlag
Cass Verlag

Kim Young-ha: „Aufzeichnungen eines Serienmörders“

Übersetzung Inwon Park, Cass Verlag, 2020, 152 Seiten, ISBN 978-3-944751-22-1

"Aufzeichnungen eines Serienmörders“ von Young-ha Kim

"Meinen letzten Mord habe ich vor 25 Jahren begangen“, erklärt der Serienmörder und Tierarzt, der an Alzheimer erkrankt ist. Jede Seite des Buches voll des schwarzen Humors – wie man es wohl verstehen muss – enthüllt neue Schrecklichkeiten und macht sie zur Realität. Der beschwingte Umgang mit den Themen Schuld und Verbrechen, so wie das allgegenwärtige Vergessen macht das schlanke Buch zu einer schaurig amüsanten Geisterbahnfahrt durch viel Reales. Erschienen ist der Roman, der in der Kategorie Krimi in Deutschland groß gefeiert wurde, in Übersetzung von Inwon Park. Der Cass Verlag wurde mit dem „Hotlist“-Literaturpreis 2020 für „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ als bestes deutschsprachiges Buch des Jahres ausgezeichnet.

Der 1968 geborene Autor Kim Young-ha gilt als das literarische Aushängeschild seiner Generation. Er hat zahlreiche Werke veröffentlicht, die unter anderem auch verfilmt wurden. Kim Young-ha lebt in Südkorea und Kanada.

TV-Tipp:

„Heimat Fremde Heimat“ setzt in einer Spezialausgabe einen Schwerpunkt auf die koreanische Community in Österreich im Schatten des globalen Hypes um Südkorea und seine Popkultur – zu sehen in der ORF-TVthek noch bis 22.1.2023, 13.30 Uhr