Politologe Anton Pelinka
ORF
ORF
Buchpräsentation

Pelinka über die „Beliebigkeit“ des Faschismus-Begriffs

Mit der „Beliebigkeit eines politischen Begriffs“ beschäftigt sich das neue Buch des Politologen Anton Pelinka, das morgen vorgestellt wird. Es geht um Definitionen von Faschismus.

Die „inflationäre Beliebigkeit der Begriffe Faschismus und Antifaschismus“ sei bei der Verteidigung der Demokratie „nicht hilfreich“, schreibt er und warnt, „mit Faschismus-Vorwürfen und Antifaschismus-Bekenntnissen alltäglich um sich zu werfen, um damit im politischen Alltag zu punkten“.

Anton Pelinka: „Faschismus? Zur Beliebigkeit eines politischen Begriffs“, Böhlau Verlag, 274 Seiten, 36 Euro, ISBN: 978-3-205-21584-4

Buchpräsentation: Donnerstag, 15. September 2022, 19.00 Uhr, Buchhandlung Herder, Wollzeile 33, 1010 Wien

Zwei Irritationen

Sein Buch, in dem er sich theoretisch wie historisch mit dem Begriff auseinandersetzt, sei eine Folge von zwei Irritationen, schreibt Pelinka. Die eine betreffe die von ihm konstatierte „intellektuelle Unschärfe“ in der Debatte, die andere den anhaltenden Streit um den Begriff Austrofaschismus. Analysiert werden fünf Diktaturen, die in der Zwischenkriegszeit errichtet werden konnten, weil die vorangegangenen Demokratien „ihre Wehrfähigkeit nicht beweisen konnten“: Mussolinis Italien („Der Real Existierende Faschismus“), Hitler-Deutschland („Faschismus, aber mehr“), Österreich von 1933 bis 1938 („Faschismus, aber weniger“), Japan 1937 bis 1945 („Militärdiktatur, aber kein Faschismus“) und Spanien unter Franco (als Exempel für „die begrenzte Überlebensfähigkeit des Faschismus“).

„Den“ Faschismus gebe es nicht

Nach acht Kriterien vergleicht Pelinka diese Diktaturen: Totaler Staat, totale Herrschaft; Personalisierung einer autoritären Herrschaftsstruktur; Massenbewegung; Militarisierung der Gesellschaft; Repression nach innen; Repression nach außen; Ausmaß und Wirkung eines aggressiven, rassistische Züge aufweisenden Nationalismus; Genozid, ethnische Vertreibungen, Völkermord. Aus den vielen Unterschieden im Einzelnen folgert Pelinka: „‚Den‘ Faschismus hat es nicht gegeben, und gibt es nicht.“ Gemeinsam sei diesen System allein das diktatorische und nationalistische Prinzip. Faschismus habe „keinen Monopolanspruch auf systematischen Terror“.

Wehrhafte und selbstbewusste Demokratie

Neben der Begriffsklärung hat Pelinka jedoch vor allem eine Intention: darauf hinzuweisen, dass es eine wehrhafte und selbstbewusste Demokratie braucht, um Bedrohungen – wie auch immer man sie bezeichnen möge – entgegenzutreten. Der Faschismus der Zukunft werde sicher nicht in alter Gestalt auftreten. „Ein Faschismus kann in den verschiedensten Formen auftreten und sich auf die widersprüchlichsten Ideologien berufen. Aber er ist an einem Merkmal erkennbar: Er wendet sich gegen die Demokratie und die mit dieser verbundenen Universalität der Menschenrechte.“