Mit ihr erlosch eine beharrliche Stimme für die „Erniedrigten, Unterdrückten, Ausgegrenzten und im Leben Zu-kurz-Gekommenen“, wie es die Edition Atelier ausdrückt. Sie gedenkt Feldmann heuer mit einer Neuausgabe des Buches „Flüchtiges Glück“. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von einfühlsamen und sprachlich teils extrem eindringliche Reportagen aus der Zwischenkriegszeit, die meist das Leben der Unterprivilegierten in der Großstadt Wien zwischen 1919 und 1938 beschreiben.
Else Feldmann: „Flüchtiges Glück“
Herausgegeben von Adolf Opel/Marini Valdez. Edition Atelier, Wien 2022 (2. Auflage). 168 Seiten, 24,00 Euro, ISBN: 978-3-903005-44-0
Berichte vom Elend
In Beiträgen für „Die Frau“, die sozialdemokratische „Arbeiter-Zeitung“ oder das politisch nicht klar fixierte „Neue Wiener Journal“ berichtet sie vom Elend der Fabriksarbeiterinnen und deren Kinder, vom Zustrom auf die Wärmestuben für jene, die sonst keinen Zugang zu einer Heizung haben, oder dem Kampf bei der Ausgabe von Essensmarken für die öffentliche Volksküche. Am Bahnhof bieten sich Arbeitslose als Dienstmänner an, während zerlumpte Kinder darum betteln, einfach „mitgenommen“ zu werden.
Gewisse Realitäten gleich geblieben
Mitunter schreibt Feldmann auch von Momenten des flüchtigen Glücks, etwa wenn ein kleines Mädchen nahe dran ist, ihrem noch kleineren Bruder das erste Spielzeug seines Lebens zu verschaffen. Doch meist zerplatzen diese in der grausamen Wirklichkeit jener Tage. Wien war in den 1920er-Jahren von Massenarbeitslosigkeit, Hunger und sozialen Spannungen geprägt. Seither hat sich gewiss viel verbessert. Zwar gibt es wohl keine rachitischen Proletarier-Kinder mehr und auch vom Bürgertum gedemütigte Dienstmädchen gehören durchwegs der Vergangenheit an. Doch sind gewisse Realitäten gleich geblieben: Jene, die im Elend leben, können nur in bedingtem Maße mit der Solidarität jener rechnen, die auf die Butterseite des Lebens gefallen sind.
Empathische und Kritische Stimme
Else Feldmann wuchs selbst in ärmlichen Verhältnissen auf und verfasste später Erzählungen, Romane, Theaterstücke und eben sozialkritische Reportagen. 1933 war sie Mitbegründerin der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. 1938 wurde ihr Werk von den Nationalsozialisten verboten. 1942 wurde diese empathische und kritische Stimme brutal zum Schweigen gebracht.