Akademietheater
ORF/Rosza
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Theater

Ladislav Fuks’ „Der Leichenverbrenner“ | Premiere in Wien | Abgesagt

Eine Wiederentdeckung im Akademietheater: Nach Maria Lazars Einakter „Der Henker“ im Dezember hat am Freitag | 13. März die Dramatisierung des 1967 erschienenen Romans „Der Leichenverbrenner“ des Tschechen Ladislav Fuks (1923-1994) Premiere.

Regie führt der junge Österreicher Nikolaus Habjan, der als Puppenspieler und Regisseur Theater- wie Opernwelt gleichermaßen erobert hat.

Ladislav Fuks
Česká televize
Ladislav Fuks

Uraufführung
13. März | 19:30 Uhr
Akademietheater | 1030 Wien, Lisztstraße 1

Die ebenso skurrile wie beunruhigende Handlung spielt in der Zeit der deutschen Annexion Tschechiens und zeigt die Wandlung der Hauptfigur, des Krematorium-Angestellten Karl Kopfrkingl, zum scheinbar willenlosen Erfüllungsgehilfen der neuen Macht, der in vorauseilendem Gehorsam sogar die eigene, als Halbjüdin geltende Frau zu Tode bringt.

1968 hat Juraj Herz den Roman verfilmt. In der Aufbruchstimmung des Prager Frühlings gedreht, anfangs begeistert aufgenommen und als tschechoslowakischen Beitrag für den Auslandsoscar nominiert, wurde der vor jeder Art des chamäleonhaften Mitläufertums warnende Film kurz darauf vom kommunistischen Regime verboten. Die wieder fest installierten Machthaber orteten „Kritik am Konformismus“.

„Ich bin schon als Jugendlicher auf diesen Film gestoßen. Die Mischung aus Sozialkritik und Satire, Horror und Groteske hat mich begeistert. Das ist die Art von Stoffen, die mich fasziniert“, sagt Nikolaus Habjan im Gespräch mit der APA.

„Seit Jahren suche ich nach einer Möglichkeit, ihn auf die Bühne zu bringen.“ Den Regisseur interessiert besonders die psychopathologische Seite der Geschichte: „Man weiß nie, was wirklich geschieht und was eingebildet ist. Es könnte sein, dass alle Figuren nur im Kopf von Kopfrkingl sind.“

Habjan hat sieben Puppen und drei Köpfe für den „Leichenverbrenner“ geschaffen. Neben Michael Maertens, der die Titelfigur verkörpert, spielen Dorothee Hartinger, Sabine Haupt und Alexandra Henkel als Schauspieler Kopfrkingls Frau und Kinder und als Puppenspieler viele Nebenfiguren, die unterschiedliche Aspekte einer Gesellschaft repräsentieren, die sich unter Druck nicht wehrt, sondern arrangiert. Dieser Druck wird auf der Bühne vom Deutschen Reinke verkörpert. Habjan, der zuletzt am Theater an der Wien eine „Salome“ inszenierte, demnächst in Luzern und Dortmund arbeiten wird und im März 2021 Monteverdis „L’Orfeo“ an der Semperoper herausbringt, wird ihn – alternierend mit Manuela Linshalm – selbst spielen.

Die Dramatisierung des Fuks-Romans hat auf Anregung der Burgtheater-Dramaturgie der österreichische Dramatiker Franzobel besorgt. Der in Wien lebende Oberösterreicher hat zuvor am Dienstagabend noch im Linzer Brucknerhaus Premiere: In „Hanni“ bringt er die Lebensgeschichte der am Tag der Premiere ihren 99. Geburtstag feiernden Hanni Rittenschober auf die Bühne. Franzobel sieht Parallelen: „Beide Male geht es um einfache Leute, da die Knechtin im Mühlviertel, dort der Mitarbeiter eines Krematoriums in Prag. Beide werden von den Ereignissen der Geschichte gewissermaßen überrollt. Hanni bleibt anständig und selbst im Schatten des KZ menschlich, Karl Kopfrkingl ermordet aus vorauseilendem Gehorsam seine Familie.“

Für Franzobel ist Kopfrkingl „eine Art tschechischer Herr Karl, ein Mensch, der sich in jedem System zurechtfindet, wobei nicht ganz klar ist, ob der Wahnsinn, in den alles mündet, von Anfang an in ihm steckt, oder ob er durch das neue System, den Nationalsozialismus, kommt“.

Für den Autor, der heuer mit Doderers „Die Merowinger“ auch im Volkstheater mit einer Roman-Dramatisierung vertreten war, steht Kopfrkingls Entwicklung vom herzlichen Familienmenschen zu einem Mörder im Zentrum: „Er ist eine Verkörperung von Hannah Arendts Banalität des Bösen.“

„Der Leichenverbrenner“ von Franzobel nach Ladislav Fuks, Regie und Puppenbau: Nikolaus Habjan, Bühne: Jakob Brossmann, Kostüme: Cedric Mpaka, Komposition: Klaus von Heydenaber.

Mit Nikolaus Habjan / Manuela Linshalm, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt, Alexandra Henkel und Michael Maertens.