Radio Dráťák | Jana Starek | Palachs Nachlass quer durch Europa und die Zeit

Mit dieser Sendung beenden wir die Reihe der Magazine Radio Dráťák, die der Persönlichkeit Jan Palach, seiner Tat und Bedeutung auch heute nach 50 Jahren gewidmet wurde. Diesmal konzentriert sich die Historikerin Jana Starek auf das historisch bedeutende Ereignis „von außen“. Starek ist zurzeit am Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust Studien tätig.

On demand | Radio Dráťák | 18.2.2019

Radio Dráťák Magazin

18.2.2019 | 21:10 | Radio Burgenland Livestream

Die Sendung berichtet darüber, wie Palachs Nachlass nicht nur in Österreich wirkte, sondern auch in anderen europäischen Staaten und welche wichtige Rolle er Ende der 1980er Jahre spielte, in der Zeit, in der kaum jemand ahnen konnte, was sich im November desselben Jahres abspielte. Das Interview mit Jana Starek führte für Sie Pavla Rašnerová.

Ausstellung Jan Palach 69 Jana Stárková Starek

orf | pavla rašnerová

Historikerin Jana Starek, Jänner 2019

Mit einem leisen Marsch durch Wiener Straßen

Die Auswirkung der Selbstverbrennung Jan Palachs war auch hinter den Grenzen der damaligen Tschechoslowakei deutlich spürbar. Auch dort verfolgten Menschen voller Spannung die nächste politische Entwicklung. Auch wenn es Palach gerade in der damaligen Zeit nicht mehr gelang, das Volk zum Kampf gegen die kommende Normalisierung aufzurütteln, seine Tat wurde nie vergessen. Jana Starek erinnert auch an eine der Wiener Demonstrationen, die dem Gedächtnis des jungen Kämpfers für Freiheit gewidmet wurde: „10 Jahre nach der Selbstverbrennung Jan Palachs gehörte ich zu den Menschen, die hier eine Demonstration inizierten. Sie hieß ‚Ein schweiger Marsch durch Wien‘ und ich erinnere mich daran, dass wir von verschiedenen österreichischen Freund/innen Fackeln bekamen und von der Oper bis zur anderen Seite Richtung Graben gingen und dort wurden viele Reden gehalten.“

Auswirkung von Palachs Tat abseits der Grenzen der Tschechoslowakei

Es existierten aber auch andere europäische Staaten, die spürbar politische Veränderungen innerhalb der Tschechoslowakei betrafen. Dort begannen allmählich nicht nur Gedenkstätten zu entstehen, um Palachs Andenken zu ehren, sondern es wurden sowohl Straßen, als auch Stadtplätze nach ihm benannt.

„Vor allem in Italien, teilweise auch in Frankreich und Spanien war das Interesse an der Entwicklung in der Tschechoslowakei sehr stark. Während die Okkupation der Tschechoslowakei in Österreich dazu beitrug, dass die KPÖ begann zerfallen, kam es in Italien zum Umbruch, genauso wie in Frankreich und Spanien. Es kam zur Entwicklung der so genannten eurokommunistischen Parteien und diese vertraten vollkommen andere Meinung als die kommunistischen Parteien, die Jahrzehnte eng mit der Sowjetunion zusammenarbeiteten", erzählt Historikerin Jana Starek.

Ausstellung Jan Palach 69

orf | pavla rašnerová

Einfluss aus Wien auf Prager Demonstranten | 1989

Die Historikerin Jana Starek ist Mitbegründerin der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte in Wien. Sehr gut erinnert sie sich an bewegte Wochen nach dem Jänner 1989 und auch vor ihm. Ihre tschechischen Kollegen/innen aus dem Helsinki-Komitee veranstalten damals eine Demonstration zum Gedenktag an Palachs Selbstverbrennung, wofür sie verfolgt wurden. Über dies alles publizierten Jana Starek zusammen mit anderen von der Föderation zahlreiche Berichte:

„In dem Zeitraum, als die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Wien gerade stattfand und im Rahmen dieser Konferenz, selbstverständlich als Nachrichten darüber ankamen, wie man mit Demonstranten umgeht, die praktisch zwischen 15. - 19. Jänner 1989 gegen Unrecht, Verletzung der Menschenrechte protestierten, so hatte dieses eine sehr starke Reaktion in Wien im Rahmen dieser Konferenz. Sicherlich trug es auch dazu bei, dass bei einigen Urteilen wie bei dem, das Václav Havel bekam, nämlich eine neunmonatige Strafe im Gefängnis, wurde es etwas abgebaut, auf acht Monate und er wurde in eine weniger schwere Gefängnisgruppe verlegt und ein paar andere Menschen wurden dann etwas früher freigelassen."

Ausstellung Jan Palach 69

orf | pavla rašnerová

Solidarität mit der Tschechoslowakei

Das Ende einer Ära fing zwar an, aber nicht alle fanden sich damit ab, mit der gewaltsamen Niederschagung des Prager Frühlings. Die Historikerin, Publizistin und Übersetzerin Jana Starek verflogte das politische Geschehen in der Tschechoslowakei nicht nur aktiv mit, sondern schloss sich verschiedenen Initiativen an oder sie leitete sie selbst, mit dem Ziel, auf Unmenschlichkeiten, die von der kommunistischen Diktatur angetan wurden, aufmerksam zu machen:

„Westeuropa und auch das neutrale Österreich reagierten. Österreich vergass nämlich nicht an die Postulate des Prager Frühlings und deswegen war es möglich, in Österreich verschiedene Initiativen entstehen zu lassen, z.B. gerade das Komitee Solidarität mit der Tschechoslowakei, die bis zum Jahre 1989 tätig war. Auch diese Menschen vergaßen Jan Palachs Tat nicht. In dem Sinne war das auch sehr wichtig für das Bewusstwerden des Volkes bei all der Katastrophe - genannt Normalisierung, damit sie (die Menschen) ihre Hoffnung nicht verlieren, dass das Regime eines Tages scheitert.“

Ausstellung Jan Palach 69 Jana Stárková Starek

orf | pavla rašnerová

Jan Palachs Anhänger

Im Jänner erinnerten wir uns an Jan Palach und gleich am 25. Februar folgte ein anderer Gedenktag, und zwar an Jan Zajíc, der sich nach dem Vorbild von Jan Palach im selben Jahr selbst verbrannte. Diese sind aber nur zwei Namen. Bis Ende April 1969 bemühten andere 26 Menschen sich diesem Weg anzuschließen. Alle wandten diese Tat an, aus dem einzigen schlichten, aber gleichzeitig effizientesten Grund: für Kampf und Glaube an Menschlichkeit, Freiheit und Leben selbst. Aus der Sicht der heutigen Zeit, nach einem halben Jahrhundert, wie großen Wert und Auswirkung kann Jan Palachs Nachlass in der Gegenwart haben?

„Selbstverständlich wäre es nicht geeignet, nur Worte zu benutzen, die sehr groß sind, die aber nicht die zehn-, zwölfjährigen Menschen in der Schule berühren, denen jemand sich vielleicht bemüht es zu erklären, sondern es ist wahrscheinlich notwendig, dies auch in die Gegenwart zu transportieren mit der Hoffnung, dass wir die Situation nicht erleben, in der wieder zwanzig-, einundzwanzigjährige junge Menschen zum Schluss kommen, dass man nur mit einer solchen Tat, inspiriert von buddhistischen Mönchen, sein eigenes Leben beenden muss, damit die Fackel etwas anzünden würde, was fast schon aufhörte zu existieren.“

Ausstellung Jan Palach 69 Jan Zajíc

orf | pavla rašnerová

Jan Zajíc

Tipp auf den Fernsehbeitrag „50 Jahre Tod von Jan Palach“
On demand | České Ozvěny | Slovenské Ozveny | 10.2.2019

Wenn Sie über den Kämpfer Jan Palach gerne mehr erfahren wollten, können Sie die Webseite des Multimedialen Projektes der Karlsuniversität Prag janpalach.cz/de besuchen. Bis Ende Februar haben Sie Möglichkeit die Ausstellung am Institut für Slawistik der Universität Wien zu besuchen. Nähere Informationen bekommen Sie unter tschechischeszentrum.at.

Die thematische Reihe über den jungen Studenten und seine Selbstopferung wurde von Pavla Rašnerová für Sie vorbereitet. Das Magazin Radio Dráťák mit dem Interview mit der Historikerin Jana Starek konnten Sie am 18. Februar um 21:10 Uhr auf Radio Burgenland live hören. Durch die Sendung begleitet Sie Tereza Chaloupková.

Ausstellung Jan Palach 69 Jana Stárková Starek Mojmír Jeřábek

orf | pavla rašnerová

Jana Starek und Mojmír Jeřábek

Článek v češtině | 18.2.2019 | Jana Stárková | Palachův odkaz napříč Evropou i časem

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