Radio Dráťák | Mit Petr Janeček über den ersten und letzten tschechischen Superhelden

Haben Sie schon mal vom Phänomen des berühmtesten tschechischen mythischen Wesens im 20. Jahrhundert, von dem Spiralhopser, gehört? Das wahrscheinlich das bekannteste Bild dieses geheimnisvollen Phantoms ist eine verhüllte Gestalt mit Sprungfedern auf Füßen, die sogar über Straßen springen kann. Er schaffte es angeblich, über das ganze Moldau-Tal zu springen.

On demand | Radio Dráťák | 14.1.2019

Radio Dráťák Magazin

14.01.2019 | 21:10 | Radio Burgenland Livestream

Petr Janeček, den anerkannten Ethnologen und Folkloristen, der am Institut für Ethnologie der Karls-Universität tätig ist, traf Pavla Rašnerová im Tschechischen Zentrum Wien.

pérák spring man

orf | pavla rašnerová

Janeček beschäftigt sich vor allem mit zeitgenössischen Sagen und Fama, deren Teil er in seinem Erzählungszyklus „Černá sanitka/ Der schwarze Krankenwagen“ einfügte, der große Popularität in Tschechien erreichte. Es entstand nicht nur eine Fernseh- und Rundfunk-, sondern auch Theaterbearbeitung. Dank seiner Studien wird Petr Janeček auch über die Grenzen hinaus
geschätzt.

Geschichten von Augenzeugen/innen

„Wenn jemand behauptete, Pérák, den Spiralhopser zu sehen, dann nur ganz kurz, als er gerade über etwas sprang. Die Mehrheit der Menschen einigte sich, dass Pérák eher hell war, er war weiß und tauchte oft in der Nähe von Friedhöfen auf, also er konnte wie ein Geist oder eine Art von Gespenst in Gewand aussehen. Damit unterscheidet er sich davon, wie er heutzutage in der Comic- und bildenden Szene dargestellt wird“, beschreibt Janeček das Aussehen von Pérák.

Der Prager Golem, der andere tschechische Held

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orf | pavla rašnerová

Der Ethnologe Petr Janeček widmete sich in den letzten Jahren intensiv der Forschungstätigkeit, die mit dem geheimnisvollen Pérák verbunden ist. Sie mündete in eine umfangreiche popularwissenschaftliche Publikation „Mýtus o Pérákovi. Městská legenda mezi folklorem a populární kulturou/ Mythus über Pérák. Stadtlegende zwischen Folklore und populärer Kultur“, die im Jahre 2017 erschien. Nicht immer wurde er als Held angesehen. Seine Gestalt ist teilweise auch kontrovers. „Vor dem Zweiten Weltkrieg war Pérák eher eine negative Gestalt, er wurde als ein Dieb, Schädiger oder Räuber verstanden, der gerade die Sprungfeder dafür benutzt, um z.B. über einen hohen Brettzaun zu springen und etwas zu klauen. Zudem wurde er auch oft mit gewaltsamen, oft sexualisierten Angriffen auf Frauen verbunden“, erklärt Janeček auch die dunkle Seite von Pérák.

Petr Janeček | Vor dem Spiralhopser hatten soger Nazis oder deutsche Soldaten Angst

Pérák/ der Spiralhopser war in tschechischen Ländern schon seit 1920er Jahren bekannt. Jedenfalls sehr aktiv war er während des Zweiten Weltkriegs, in dem er gegen das NS-Regime kämpfte, was auch viele Volksgeschichten bestätigen. Dank ihrer Beliebtheit gerieten sie in populäre und künstlerische Kultur. Zum Pérák kam Petr Janeček nicht nur so zufällig:

„Meine Großmutter, die aus Westböhmen kam, konkret aus Hořice, war während des Zweiten Weltkriegs im Munitionslager in Polička total eingesetzt. Abends ging sie aus der Fabrik von der Nachtschicht mit etwa gleichaltrigen Mädchen und sie erschreckten sich gegenseitig: ‚Jesus Maria, stellt euch vor, wenn nur der Spiralhopser auf uns springen würde‘ sie fürchteten vor ihm und zufällig arbeitete dort ein ausgedienter Österreicher als Aufseher, ein Soldat, der nicht mehr aktiv in seinem Dienst war und sie fragten ihn, ob die Geschichte über Pérák wahr ist und er antwortete, wahrscheinlich dachte er sich das aus, im Sinne, dass soger Nazis oder deutsche Soldaten vor dem Spiralhopser Angst hatten.“

Die mysteriöse Gestalt des Spiralhopsers im Zweiten Weltkrieg

Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs wirkte Pérák in den großen Wirtschaftsstädten wie Prag, Brno, Hradec Králové, Plzeň, Pardubice oder in Zlín. Dort erlangte er seinen größter Ruhm. Es ist interessant, dass die älteste Erzählung über ihn aus Gebieten kommt, wo die deutschsprachige Bevölkerung früher lebte. Es gibt sogar auch Aussagen der Zeitzeugen/innen: „Eine solch schöne Erinnerung ist von einer Frau, die als Mädchen im Jahre 1944 in Prag zum Christkindlmarkt auf dem Altstadt Platz ging. Damals verlief die deutsche Offensive in den Ardennen und die Deutschen in Prag feierten riesig, weil sie glaubten, dass der Krieg sich wendet und dass Nazi-Deutschland gewinnt. Das Mädchen ging dann mit ihren Eltern zur Straßenbahn auf dem Karlsplatz. Dort herrschte gedrückte Stimmung und Tschechisch sprechende Menschen waren traurig darüber, wie die Deutschen feiern und dass der Krieg wahrscheinlich nicht aufhört und auf einmal jemand aufschrie: ‚Schauen Sie mal, der Pérák ist da!’ und nach der Zeitzeugin übersprang ein dunkler Schatten die Straßenbahn und verschwand im Park.“ Menschen gewannen durch solche, oder ähnliche Momente Vertrauen und sie verspürten auch Optimismus, dass der Krieg doch bald vorbei sein wird.

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orf | pavla rašnerová

Das Ende des Spiralhopsers und Übertragung in den Film und Comic

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orf | pavla rašnerová

Der Spiralhopser zum Comic-Helden

Pérák wurde erst in 1980er Jahren wiedergefunden, als er von tschechischen Autoren wie Milan Knižák oder Ondřej Neff vor den Vorhand gebracht wurde. Mit dem neuen Jahrtausend begannen sich auch junge Kunstschaffende um ihn zu interessieren und sie brachten ihn in Comic. Im Unterschied zu den amerikanischen Helden, die ausgedacht wurden, ist Pérák authentisch, an ihn glaubte man wirklich. Pérák ist jedoch keine rein tschechische Sache. Ähnliche Erzählungen existieren in manchen anderen Ländern, vor allem im Mittel- und Osteuropa. Die erste Sage über Pérák würde man in Großbritanien finden.

Der österreichische Spiralhopser? Haben Sie von ihm gehört?

Wenn Sie eine Geschichte über Spiralhopser kennen oder über ihn etwas gehört haben und sich mit Petr Janeček in Kontakt setzen wollen, um ihm davon erzählen, melden Sie sich direkt bei ihm unter der folgenden Email-Adresse petr.janecek@ff.cuni.cz oder schreiben Sie uns in die Redaktion.

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Die Radiosendung mit unseren Gästen - Wissenschaftlern Petr Janeček und Jiří Holý - hören Sie im Magazin Dráťák an. Die Interviews führte Pavla Rašnerová. Durch die Sendung begleitet Sie Tereza Chaloupková.

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