Familienbeihilfe - Tschechien will mögliches EU-Verfahren abwarten

Tschechien will in Bezug auf die Indexierung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder zunächst ein mögliches EU-Vertragsverletzungsverfahren abwarten.

„Im Moment warten wir auf das Ergebnis des Rechtswegs“, so Außenminister Tomáš Petříček am Donnerstag bei einem Treffen mit Amtskollegin Karin Kneissl (FPÖ) in Wien. Weitere Themen waren Energiepolitik, regionale Zusammenarbeit und Syrien. Beide Minister lobten nach ihrem Arbeitsgespräch vor Journalisten den „sehr guten Austausch“.

Es sei auch ausführlich über das traditionell schwierige Thema Atomenergie gesprochen worden, so Kneissl. Zum geplanten Ausbau des grenznahen Atomkraftwerk Dukovany, meinte Kneissl: „Es wurde ein sehr gut funktionierendes Dialogsystem ein diesem Bereich aufgebaut“. Es sei jedem Land selbst überlassen seinen Energiemix zu bestimmen, „aber wir setzen auf diesen exzellenten Dialog, wie er in der Vergangenheit war, um einen möglichst sachlichen Austausch zu haben“, so die Außenministerin.

In diesem Jahr soll es erneut Treffen der Landeshauptleute der Grenzregionen geben, auch gemeinsame Aktivitäten zum 30. Jahrestag des Wendejahrs 1989 sind geplant.

Tomáš Petříček a Kneissl

APA

In Bezug auf die umstrittene Kürzung der Familienbeihilfe, von der rund 10.000 tschechische Kinder betroffen sind, meinte Petříček, er sei „froh, dass die Frau Ministerin, das auch als ein sehr wichtiges Thema für die Tschechische Republik betrachtet.“ Eine tschechische Klage vor der Europäischen Gerichtshof (EuGH), wie sie Rumänien angekündigt hat, ist derzeit nicht geplant. Prag hat sich aber gemeinsam mit sechs weiteren von der Kürzung betroffenen Ländern - der Slowakei, Ungarn, Polen, Bulgarien, Litauen und Slowenien - im November in einem Brief an EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen gewandt, in dem sie um die Unterstützung der EU-Kommission baten. Es wird erwartet, dass die EU-Kommission deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleitet.

Gemeinsame humanitäre Initiative in Syrien

Übereinstimmung gab es laut Kneissl bei der Frage, wie es in Syrien weitergehe. „Wir müssen mehr Realitätssinn beweisen und genau diesen Realismus erkenne ich auch bei meinem tschechischen Kollegen, dass man Syrien nicht andern überlassen kann, vor allem was humanitäre Assistenz betrifft“, meinte die Außenministerin. Es gehe darum, nicht nur Essen und Wasser zu verteilen, sondern sich im die Situation kümmern, damit die Menschen leben könnten. Sie wolle mit Tschechien gemeinsam die eine oder andere Initiative in Syrien setzen, kündigte sie an, ohne Details zu nennen.

Mann der „Realpolitik“

Von tschechischen Journalisten nach den diplomatischen Fähigkeiten des jungen tschechischen Außenministers befragt, meinte Kneissl, sie habe den 37-jährigen Petříček am Donnerstag zum ersten Mal auf bilateraler Ebene getroffen. Dabei habe er ihr einen Blumenstrauß überreicht, das sei „bereits beste Diplomatie in symbolischer Form“, scherzte sie. Geschätzt habe sie an ihrem tschechischen Gegenüber „seinen starken Sinn für Realismus“ und er wisse, wovon er spreche. Außerdem sei er „jemand, der weiß was Realpolitik bedeutet“.

Tomáš Petříček

Karolina Brodníčková | Právo

Der 37-jährige Sozialdemokrat Tomáš Petříček ist erst seit Oktober im Amt und gilt als unerfahren. Seiner Nominierung vorangegangen war ein wochenlanger Streit zwischen Staatspräsident Miloš Zeman und den mitregierenden Sozialdemokraten (ČSSD). Zeman hatte sich geweigert, den von der ČSSD nominierten EU-Abgeordneten Miroslav Poche als Minister zu ernennen. Grund dafür war die angeblich migrationsfreundliche Einstellung Poches. Daher führten zunächst ČSSD-Chef und Innenminister Jan Hamáček interimistisch das Außenamt. Schließlich verzichteten die Sozialdemokraten auf ihren Wunschkandidaten und nominierten Petříček.

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