Forderung an neue Regierung: „Gebt euren Volksgruppen was ihnen zusteht!“

„Es ist Zeit, gebt euren Volksgruppen was ihnen zusteht und macht eure Volksgruppen zumindest enkelfit“, plädiert Stefan Pauer, Vorsitzender der ARGE Volksgruppen an die neue Bundesregierung. Die Wiener ARGE Volksgruppen beklagt in ihrer heutigen Pressekonferrenz, einen Monat vor der Nationalratswahl, öffentlich den Stillstand in der Volksgruppenpolitik.

Pressekonferrenz Volksgruppen zu den Nationalratswahlen | Wiener ARGE für Volksgruppenfragen

ORF | Yvonne Strujić

Stefan Pauer

Die Bilanz der abtretenden Regierung fällt laut den Volksgruppenvertreter/innen dürftig aus. So habe sich bei der auf Eis liegenden Modernisierung (Gesetzesentwurf zur Novellierung des Volksgruppengesetzes aus dem Jahr 2011) des Volksgruppengesetzes (aus dem Jahr 1976) nichts weiter bewegt. Sie forderten etwa eine Aufstockung der seit 20 Jahren „eingefrorenen“ Volksgruppenförderung auf zumindest den doppelten Betrag.

Bei einer Pressekonferenz wurde ein Positionspapier mit sechs Forderungen vorgestellt, das sich an die politisch Verantwortlichen richtet.

ARGE Volksgruppen | Pressekonferrenz vor den Nationalratswahlen 2017

Serdar Erdost

Die Forderungen reichen vom Anpassen des Volksgruppenrechts an europäische Standards, einer Neuorganisation der Volksgruppenvertretungen mit mehr Eigenständigkeit in internen Angelegenheiten und einer gesetzlichen und wertgesicherten Sicherung der finanziellen Förderung bis hin zu Intensivierung von Unterricht und Bildung in den Volksgruppensprachen und einer nachhaltigen Stärkung der Volksgruppenmedien.

„Mit diesem Appell wenden sich die österreichischen Volksgruppen vor den Nationalratswahlen 2017 an die Öffentlichkeit und erinnern die politisch Verantwortlichen an ihre in der Bundesverfassung verankerte Pflicht, in einer Zeit der Lethargie und Orientierungslosigkeit, auch den überlebensrelevanten Bedürfnissen der Volksgruppen nachzukommen“, heisst es von Seiten der ARGE Volksgruppen.

Pressekonferrenz Volksgruppen zu den Nationalratswahlen | Wiener ARGE für Volksgruppenfragen

Volksgruppeninstitut

Volksgruppen mahnen Aktivitäten in der Volksgruppenpolitik ein

„Es muss in unser aller Interesse sein“, so der Obmann der ARGE Volksgruppen Stefan Pauer, „die im Artikel 8 der Bundesverfassung verankerte Achtung, Sicherung und Förderung der Volksgruppen durch konkrete Maßnahmen sichtbar und spürbar zu machen, ehe es zu spät ist.“

ARGE Volksgruppen | Pressekonferrenz vor den Nationalratswahlen 2017

Serdar Erdost

Stefan Pauer und Gabriela Novak-Karall

Der nun schon 5 Jahre dauernde Stillstand bei der Novellierung des Volksgruppengesetzes ist laut Pauer ein Hinweis dafür, dass aus „dem Flickwerk“ nichts mehr wird: „Wir fordern daher eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einer Neukodifizierung des österreichischen Volksgruppenrechts, bei der die von den Volksgruppenvertretungen erarbeiteten Vorschläge Berücksichtigung finden.“

Die Organisation der Volksgruppenvertretungen als Körperschaft öffentlichen Rechts zählt die ARGE Volksgruppen ebenfalls zu den Themen, die anzupacken, zu behandeln und lösen sind.

„Es ist zu still geworden um die Volksgruppen“...

... mahnte ARGE Volksgruppen-Vorstand und Vorstandsmitglied des Zentralverbands der Ungarn Ernő Deák. Er äußerte Bedenken darüber, dass „die Geschichte über die Volksgruppen hinwegläuft“ und sieht in der seit mehr als 20 Jahren unveränderten Höhe der Volksgruppenförderung eine der größten Hürden für eine positive Entwicklung. Die Förderungen gehen für den laufenden strukturellen Aufwand auf und lassen keinen Spielraum für volksgruppenspezifische Vorhaben. Deák: „Die Inflationsrate und der sich bereits negativ auswirkende Rückstau bei Projekten erfordern zumindest eine Verdoppelung der Fördermittel.“ Die Volksgruppen als „gebrandmarkte Kinder“ gingen schon seit langem einen steinernen Weg. so Deák. Sie, als Träger des kulturellen Reichtums in Österreich, sollen sich nicht als Schmarotzer abgestempeln lassen müssen, fordert der Volksgruppenvertreter.

Pressekonferrenz Volksgruppen zu den Nationalratswahlen | Wiener ARGE für Volksgruppenfragen

ORF | Yvonne Strujić

Ernő Deák

Die Intensivierung von Unterricht und Bildung in den Volksgruppensprachen ist für Gabriela Novak-Karall, vom Kroatischen Zentrum, ein Muss, will man den Fortbestand der Volksgruppen nachhaltig sichern. Eine Ausweitung des Angebotes – insbesondere hier in Wien – bei gleichzeitiger Überprüfung der Wirksamkeit soll ein hohes Sprachniveau bei der Volksgruppe sicherstellen. „Es ist besorgniserregend, wenn ein Behördenschreiben in der Volksgruppensprache gröbste Mängel aufweist – daher muss der Unterricht in den Volksgruppensprachen Vorrang haben“, bringt es Gabriela Novak-Karall unmissverständlich auf den Punkt.
Bildung schaffe Bewusstsein, doch auch innerhalb der zweisprachigen Bildung an Schulen und Kindergärten müsse man den Fortbestand einer qualitativen Ausbildung für Lehrer/innen gewährleisten können. Hier müsse die Sprachkompetenz in den Volksgruppensprachen gefestigt werden, betont die Burgenlandkroatin.

Novak- Karall | Komenský Schule für alle Volksgruppen in Wien

Novak- Karall fordert eine Schule nach dem Vorbild der Komenský Schule für alle Volksgruppen in Wien. „In Wien sind alle zu Hause, hier treffen sich alle Volksgruppen. Wenn sich Österreich tatsächlich zu seinen Volksgruppen bekennt, muss es diese seine Pluralität fördern“, so Novak-Karall.

Pressekonferrenz Volksgruppen zu den Nationalratswahlen | Wiener ARGE für Volksgruppenfragen

ORF | Yvonne Strujić

Gabriela Novak-Karall

Die „Wiener Arbeitsgemeinschaft für Volksgruppenfragen – Volksgruppeninstitut“ (ARGE Volksgruppen) ist eine überparteiliche, österreichbewusste Vereinigung aller an Volksgruppenfragen Interessierten, im Besonderen von Angehörigen der sechs in Österreich beheimateten Volksgruppen (Kroaten, Slowenen, Tschechen, Slowaken, Ungarn und Roma). Der 1983 gegründete Verein bezweckt einerseits die fachlich-fundierte Behandlung von Volksgruppenfragen, andererseits aber auch eine Verbesserung der Situation der in Wien ansässigen ethnischen Gruppen österreichischer Staatsbürger.

Tichy | Republik Österreich zum Schutz nationaler Minderheiten verpflichtet

Heinz Tichy, ehemals zuständig für Volksgruppenangelegenheiten im Bundeskanzleramt, Gründungsmitglied und langjähriger Obmann der ARGE Volksgruppen, hebt den internationalen Aspekt in den Vordergrund. Tichy: „Es ist nicht so, dass sich Volksgruppen in Österreich etwas wünschen und die Bundesregierung setzt es um oder nicht.
Die Republik Österreich hat sich mit der Ratifizierung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten, der EU-Grundrechtecharta oder auch der EU-Charta Presseinformation der Regional- und Minderheitensprachen zu konkreten Maßnahmen verpflichtet. Die Monitoringstelle des Europarats schaut sich das ganz genau an, und das Ministerkomitee spricht auch immer wieder konkrete Empfehlungen aus. Nach mehreren beschwichtigenden Stellungnahmen der Republik Österreich wird sich die Erwartungshaltung beim Europarat signifikant ändern“, schlussfolgert Heinz Tichy.

Duzdar für Aufstockung des Volksgruppenbudgets

Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) hat nach Kritik von Volksgruppenvertreter/innen in der Pressekonferrenz vergangenen Dienstag (13.9.2017) angekündigt, die Förderung für autochthone Minderheiten erhöhen zu wollen. Der Betrag von 3,8 Mio. Euro solle auf 4,5 Mio. Euro angehoben werden, sagte sie. Die Volksgruppen erkennen diese Reaktion als ersten, positiven Schritt an. Es zeige „endlich jemand eine Reaktion auf die Forderungen“, heisst es aus den Reihen der ARGE.

Minority SafePack

Gabriela Novak-Karall sprach die Europäische Bürgerinitiative an, die ein Bündel von Maßnahmen und konkreten Gesetzen zur Förderung und zum Schutz der europäischen Minderheiten, sowie Regional-und Minderheitensprachen darstellt. Damit sich das EU Parlament und die Kommission verpflichtend mit dieser auseinandersetzen, sind europaweit bis 02. April 2018 1 Million Unterschriften erforderlich. Novak-Karall: „Motivieren wir andere Vereine, Freunde, Arbeitskollegen, Vereine, Bekannte, Verwandte diese Initiative zu unterzeichnen. In der EU leben 40 Millionen Menschen, die sich einer autochthonen Volksgruppe zugehörig fühlen.“

„Baustelle Volksgruppenpolitik“ | Volksgruppenforderungen an die neue Regierung
Duzdar will Volksgruppenbudget auf 4,5 Mio. erhöhen

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ARGE Volksgruppen | Wiener Arbeitsgemeinschaft für Volksgruppenfragen | Volksgruppeninstitut