Vom Kooperieren und Überleben
Eindrücke nach Befreiung ließen ihn nicht mehr los
Nachdem der US-Offizier Elmer Luchterhand im April 1945 an der Befreiung des Konzentrationslagers Hersbruck beteiligt war, ließen ihn seine Eindrücke nicht mehr los. Er begann Ende der 1940er-Jahre als Soziologiestudent, die Beziehungen der KZ-Häftlinge im Lager untereinander zu untersuchen.
KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Sammlung Erika Luchterhand
Interviews mit 52 Überlebenden verschiedener Lager
Luchterhand führte Interviews mit 52 Überlebenden unterschiedlicher Lager. Vier von ihnen isolierten sich während ihrer Zeit im Lager von den anderen Häftlingen - er nannte sie einsame Wölfe. In allen anderen Interviews wurde eine Lagerpartnerin oder ein Lagerpartner beschrieben.
1953 war Luchterhands Dissertation an der Universität Wisconsin eine der ersten wissenschaftlichen Arbeiten, die sich dem Sozialverhalten von KZ-Insassen widmete. Sie wurde wenig beachtet und geriet schnell in Vergessenheit.
Das Paar als Überlebenseinheit
Luchterhands Hauptthese war, dass Kooperation in Paaren notwendig war, um im Konzentrationslager zu überleben, erklärt Kranebitter: „Da ging es oft auch um Kleinigkeiten, beispielsweise darum, dass jemand auf den Blechnapf aufpassen musste, während man selbst auf die Latrine ging. Da ging es nicht nur um totalen Altruismus, sondern um eine Überlebensnotwendigkeit, um eine Überlebensgemeinschaft.“
KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Sammlung Erika Luchterhand
Außerdem entwickelte sich unter den Häftlingen ein Normensystem, das Luchterhand „prisoner code“ nannte, sagt Kranebitter: „Innerhalb der Häftlingsgesellschaft von anderen zu stehlen, wurde beispielsweise bestraft. In der Selbstjustiz der Häftlinge konnte das durchaus auch mit dem Tode bestraft werden. Das Stehlen aus den Lagerbeständen der SS wurde dagegen gutgeheißen. Das heißt, es wurde unterschieden zwischen Diebstahl und Organisieren, wie das im Lagerjargon genannt wurde.“ Diese und andere Regeln unter den KZ-Insassen erforschte Luchterhand als erster.