Analyse des umstrittenen Gedenktreffens

Die Position Kroatiens rund um die umstrittene Gedenkveranstaltung bei Bleiburg/ Pliberk ist wenig bekannt. Unter Tito war es noch verboten, über die Partisanenmorde an den Ustaša-Soldaten zu sprechen. ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz mit einer Analyse betreffend Politik und Kirche.

Im Vorfeld wurde darüber heftig diskutiert, verbieten könne man die Veranstaltung aber dennoch nicht, beriefen sich Österreichs Behörden auf die geltende Gesetzeslage. So wurde am Samstag am Loibacher Feld/ Libuško polje bei Bleiburg/ Pliberk der Ermordung von kroatischen Angehörigen der faschistischen Ustaša-Miliz und anderer unliebsamer Flüchtlinge nach Ende des Zweiten Weltkriegs gedacht.

Die Tatsache, dass die Veranstaltung Rechtsextreme aus ganz Europa anzieht, wurde zuletzt von der katholischen Kirche in Kärnten verurteilt, und den Veranstaltern wurden strengere Vorschriften auferlegt. Dennoch ist der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk zu dem Schluss gekommen, dass in den vergangenen Jahren absichtlich weggeschaut wurde und es sehr wohl rechtliche Möglichkeiten gebe, dem faschistischen Treiben rund um das Totengedenken ein Ende zu setzen.

Was sagt man zu all dem in Kroatien? Das Totengedenken findet schon seit den frühen 50er Jahren nahe Bleiburg statt. Damals war es unter Tito noch verboten, über die ermordeten Ustascha-Soldaten zu reden. Dieses Verbot gilt aber schon lange nicht mehr - warum findet das umstrittene Gedenktreffen noch immer außerhalb Kroatiens statt?

Wehrschütz: Bleiburg ist einfach das Symbol für die Nachkriegsverbrechen der Kommunisten. Man spricht auch vom Kreuzweg nach Bleiburg oder von Bleiburg. Deshalb ist die Situation so festgefahren in der Wahrnehmung, weshalb man von diesem großen Gedenken in Bleiburg nicht abrücken möchte. Es gibt aber natürlich auch andere Orte in Kroatien, wo an diese Verbrechen unmittelbar nach Kriegsende gedacht wird. Es gab aber in Kroatien sehr wohl eine Debatte darüber, es zu verlegen - etwa nach Slowenien, wo sich in der Nähe von Maribor/Marburg ein ganz besonders großes Massengrab befindet. Aus Traditionsgründen wird man aber wohl immer in Bleiburg bleiben.

Die katholische Kirche in Österreich legt Wert darauf, dass es sich bei vielen Teilnehmern des Treffens keineswegs um Faschisten handelt, und hat sich zuletzt auch deutlich von politischer Propaganda, wie sie in der Vergangenheit zu beobachten war, distanziert. Was ist dazu von der katholischen Kirche in Kroatien zu hören, die die Gedenkmesse veranstaltet?

Wehrschütz: Die katholische Kirche in Kroatien hat weitgehend geschwiegen zu all diesen Dingen und Fragen, auch zu den jetzigen Vorwürfen. Diese ist auch nicht gerade dafür bekannt, sehr offen gegenüber Medien und sehr breit gefächert zu sein. Der Erzbischof von Zadar wird die Gedenkmesse lesen und auch predigen. Stellung genommen hat der stellvertretende Parlamentspräsident, (Zeljko) Reiner, indem er sagte, die Darstellung, dass es ein Faschistentreffen sei, sei nicht richtig. Es seien Einzelfälle, wo derartige Symbole getragen wurden, dies sei nicht prägend für das Ganze.

Wie verhält sich die kroatische Politik in dieser Angelegenheit? Immerhin nehmen hochrangige Politiker regelmäßig teil?

Wehrschütz: Es ist in Kroatien und auch generell unumstritten, dass das, was nach dem Zweiten Weltkrieg passiert ist, ein Verbrechen war – und es kann auch nicht dadurch, dass man sagt, das waren Ustascha-Soldaten, die ermordet worden sind, eine Relativierung geben, dass das Massenmorde waren. Diese Leute sind umgebracht worden - ohne Gerichtsverfahren. Zweitens waren es bei Weitem nicht nur Ustascha-Soldaten auf diesen Todesmärschen von Bleiburg, die umgebracht worden sind – das ist ein Punkt der politischen Debatte Kroatiens. Auf der anderen Seite haben wir natürlich die Spaltung in der politischen Landschaft zwischen rechts und links, nationalkonservativ und linksliberal, in der Frage: Werden diese Morde verwendet, um die Verbrechen der Ustascha zu relativieren? Hier hat sich die Politik zu wenig abgegrenzt vom rechten Rand, vor allem die nationalkonservativen Parteien. Aber generell haben alle Seiten in Kroatien dazu aufgerufen, dass man sich an das halten muss, was die Vorgaben sind, und dass es keine derartigen Symbole geben darf.

Wie ist es um den Umgang Kroatien und den Umgang mit seiner Ustascha-Vergangenheit bestellt?

Wehrschütz: Kroatien hat in Wirklichkeit keine Aufarbeitung seiner Geschichte vorgenommen, weder die des Zweiten Weltkrieges noch die der Kroatien-Kriege. Das hat damit zu tun, dass hier viel zu viele persönliche Verbindungen bestehen - nehmen sie nur Franjo Tudjman, den Staatsgründer. Er war einerseits Partisanengeneral, dann kroatischer Nationalist. Hier gibt es zu viele persönliche Fragen, die bei hochrangigen Politikern zu klären wären. Das ist bis heute nicht passiert.

Mit Christian Wehrschütz hat ORF-Redakteurin Barbara Schieder gesprochen.

Siehe Meldung vom Tag: Gegen Geschichtsrevisionismus