Kroatien will Urteile anfechten

Nach dem dramatischen Tod eines früheren Kommandeurs bosnisch-kroatischer Truppen im Bosnien-Krieg vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, kommen scharfe Worte von Kroatiens Regierung. Premier Andrej Plenković kritisierte den Schuldspruch und kündigte eine Prüfung an.

Slobodan Praljak, der frühere Befehlshaber des Kroatischen Verteidigungsrates (HVO) in der „Kroatischen Republik Herceg-Bosna“, der am Mittwoch vor dem Haager UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien rechtskräftig verurteilt worden ist, ist tot. Entsprechende Medienberichte wurden vom UNO-Tribunal und kurz zuvor von Kroatiens Premier Andrej Plenković bestätigt.

Praljak starb in einem Krankenhaus in Den Haag, sagte Nead Golcevski, Sprecher des Tribunals, am Mittwochabend. Praljak hatte nach seiner Verurteilung eine Flüssigkeit getrunken, seiner Verteidigerin zufolge handelte es sich um Gift. Plenković sprach eigenen Angaben zufolge bereits mit der Familie Praljaks und sprach dieser sein Mitgefühl aus - gleichzeitig kritisierte er das gegen Praljak verkündete Urteil. Kroatiens Präsidentin Kolinda Grabar-Kotarović brach zudem einen Besuch in Island vorzeitig ab und flog zu Gesprächen zurück nach Kroatien.

Haag obsodba Herceg-Bosna zločinci Praljak

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Die Richter in Den Haag bestätigten vor dem Zwischenfall eine Haftstrafe von 20 Jahren gegen Praljak (r.).

20 Jahre Haft bestätigt

Das Kriegsverbrechertribunal bestätigte am Mittwoch eine 20-jährige Haft aus erster Instanz gegen Praljak. Dieser war während des Bosnien-Krieges (1992 bis 1995) Militärchef der bosnischen Kroaten gewesen. Nach der Urteilsverkündung beteuerte er zunächst seine Unschuld und rief in den Gerichtssaal: „Slobodan Praljak ist kein Kriegsverbrecher. Ich weise Ihr Urteil zurück.“ Unmittelbar danach nahm er einen Schluck aus einem Fläschchen.

Plenković: „Unbegründet und ungerecht“

Das Urteil spiele Plenković zufolge fälschlicherweise auf eine Rolle Kroatiens im Bosnien-Krieg an. Die Führung Kroatiens könne in keiner Weise mit den Geschehnissen in Verbindung gebracht werden. Das Urteil ist laut dem kroatischen Premier somit „unbegründet und ungerecht, kollidiert mit den Fakten und ist als solches für Kroatien inakzeptabel“.

Er kündigte an, alle rechtlichen und politischen Instrumente zu prüfen, um Teile des Urteils anzufechten. „Die Staatsspitze konnte auf keine Weise mit den Fakten und Interpretationen, wie sie in dem Urteil von 2013 aufgeführt werden, verbunden gewesen sein“, so Plenković. Es sei „absurd“, dass in keinem der Urteile des UNO-Tribunals die Verantwortung Serbiens für ein gemeinsames verbrecherisches Vorhaben in Bosnien bestätigt worden sei, fügte er hinzu.

Inzko: "Wendepunkt“

Der hohe Bosnien-Beauftragter Valentin Inzko rief unterdessen dazu auf, das Urteil des UNO-Tribunals „vollständig“ zu respektieren. Es dürfe keinesfalls politisiert werden und solle vielmehr als „Wendepunkt“ für Bosnien-Herzegowina dienen, erklärte Inzko in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

Der Österreicher rief Bosnien-Herzegowina dazu auf, das nun rechtskräftige Urteil zu respektieren und weiter den „Weg Richtung Versöhnung“ zu gehen. „Wahrheit und Gerechtigkeit“ seien der einzig mögliche Weg nach vorne, hin zu einer „besseren Zukunft“.

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- Siehe Meldung vom 22.11.2017