Ganze Region in Sorge wegen Agrokor

Die finanziellen Probleme des überschuldeten kroatischen Konzerns Agrokor, der auf einem Schuldenberg von mehr als 6 Mrd. Euro sitzen soll, versetzt die gesamte Region in Sorge. Agrokor hat nämlich auch Tochterunternehmen in Slowenien und in Serbien.

Eine Sanierung des mit Fremdfinanzierung gewachsenen Geschäftsimperiums des reichsten Kroaten, Ivica Todorić, stand vor dem Wochenende noch aus. Für die Lösung seiner Liquiditätsprobleme soll Agrokor in den nächsten drei Monaten rund 365 Mio. Euro brauchen, berichteten Medien in Kroatien. Erwartungen zufolge sollen russische Gläubigerbanken, insbesondere die Sberbank, die entscheidende Rolle bei der Rettung spielen.

Die russische Sberbank erklärte sich laut Medienberichten dazu bereit, Agrokor weiterhin finanziell zu unterstützen, um das Unternehmen auf den Beinen zu erhalten. Die Staatsbank ist der wichtigsten Gläubiger des angeschlagenen Konzerns. Mit Blick auf Spekulationen, wonach sie eine Teilübernahme von Agrokor erwäge, betonte die Sberbank jedoch, dass sie kein Interesse an dem Einzelhandelsgeschäft habe. Das heizte wiederum Spekulationen über den Verkauf der Handelssparte an den russischen Einzelhändler Magnit an.

Abverkauf von Tochterunternehmen?

Der Abverkauf von Agrokor-Tochterunternehmen steht im Mittelpunkt der Spekulationen über eine Sanierung. Es wird davon ausgegangen, dass die Handelsketten Konzum und Mercator im Paket verkauft werden, während man sich von bestimmten Nahrungsmittelherstellern einzeln trennen würde. Am interessantesten dürften Berichten zufolge die börsennotierten Ledo (Tiefkühlprodukte) und Jamnica (Mineralwasser, Getränke) sein.

Für Jamnica soll sich vor nicht allzu langer Zeit bereits der US-Konzern Coca-Cola interessiert haben. Auch eine Rettung des Konzerns durch chinesisches Kapital wird für möglich gehalten.

Als einer der größten Lebensmittelproduzenten und Einzelhändler in der Region fällt Agrokor in die Kategorie „too big to fail“. Der vertikal integrierte Konzern umfasst rund 60 Unternehmen mit insgesamt 60.000 Beschäftigten. 40.000 Mitarbeiter davon sind in Kroatien beschäftigt, der Rest in Slowenien, Serbien und Bosnien.

Von dem Schicksal des Konzerns hängen auch tausende Arbeitsplätze bei Lieferanten ab. In Kroatien sind von ihm etwa 5.000 Lieferanten stark von Konzum abhängig, darunter die größten Nahrungsmittelunternehmen wie Podravka, Atlantic Grupa, Franck, Dukat, Vindija.

Für viele ist das der wichtigste Verkaufskanal für ihre Produkte. Kroatischen Lieferanten schuldet Agrokor mehr als 2 Mrd. Euro. Die größten Lieferanten wollen beim Sanierungsplan für Agrokor mitwirken, wofür sie auch die Unterstützung der Regierung haben.

Staatliche Finanzhilfe offenbar ausgeschlossen

Die kroatische Regierung steht auch mit Agrokor und den Gläubigerbanken in Kontakt, will sich jedoch nicht in die Rettung einmischen. Laut den Behörden sei eine staatliche Finanzhilfe für das Privatunternehmen ausgeschlossen. Tatenlos herumzustehen scheint die Regierung jedoch nicht. Nach Informationen der Tageszeitung „Jutarnji list“ soll sie für den Fall, dass es zum Kollaps von Agrokor kommt, an einem Plan für eine staatliche Intervention arbeiten. Im Fokus soll dabei die Stabilität der kroatischen Wirtschaft bzw. der Agrokor-Lieferanten stehen.

Schulden-„Reprogrammierung“ bei Mercator

In Slowenien gibt es unterdessen beruhigende Töne aus der Handelskette Mercator, die 2014 vom Agrokor übernommen wurde. Die slowenische Tochter, die rund 10.000 Mitarbeiter beschäftigt, sollte finanzielle Probleme des Mutterkonzerns nicht zu spüren bekommen, hieß es laut Medienberichten. Begründet wurde das mit einer Vereinbarung mit den Gläubigerbanken über eine „Reprogrammierung“ seiner Schulden von 1 Mrd. Euro, die Mercator bis 2020 finanzielle Unabhängigkeit sichert. Demnach darf Mercator in dieser Zeit seinem Eigentümer weder Garantien oder Darlehen geben noch Dividenden auszahlen.

Die Ungewissheit steigt hingegen bei slowenischen Lieferanten, die mit Mercator jährlich Geschäfte im Volumen von insgesamt 500 Mio. Euro abwickeln. Bis Herbst ist ihre Position geschützt, denn Agrokor hat sich verpflichtet, bei Mercator einen bestimmten Anteil von slowenischen Produkten zu behalten. Die Lieferanten, die sich aber schon jetzt beklagen, zunehmend von Agrokor-Produkten verdrängt zu werden, sind besorgt, dass sich ihre Lage nach dem Auslaufen der Zusagen verschlechtern könnte. Die Konditionen, unter denen Agrokor die Geschäfte mit kroatischen Lieferanten macht, sind nämlich deutlich ungünstiger.

Zahlungsverzug an serbische Lieferanten

Die Sorge wächst auch in Serbien, wo Agrokor mit seinen Handelsketten Mercator und Idea sowie mit Produzenten wie der Speiseölfabrik Dijamant und dem Tiefkühlkostproduzenten Frikom eine wichtige Rolle in der Wirtschaft spielt. Befürchtet werden mögliche negative Auswirkungen auf den serbischen Markt, weshalb das dortige Wirtschaftsministerium bereits in regelmäßigem Kontakt mit Agrokor steht. Die Sorge gilt nicht nur den rund 10.000 Beschäftigten in den Agrokor-Tochterfirmen, sondern auch den serbischen Lieferanten. Bei diesen soll es Berichten zufolge schon zu einem Verzug bei den Zahlungen kommen.

Größte Kreditgeber sind russische Banken

Die Gesamtverschuldung von Agrokor wird auf umgerechnet mehr als 6 Mrd. Euro geschätzt, während das Gesamtkapital des Konzerns auf rund 1 Mrd. Euro geschätzt wird, wie aus Medienberichten hervorgeht. Die Finanzverschuldung wird mit knapp 3,6 Mrd. Euro beziffert. Davon steht der Konzern bei den Banken mit 1,6 Mrd. Euro in der Kreide. Die größten Kreditgeber sind russische Banken, Sberbank und VTB, denen Agrokor insgesamt 1,3 Mrd. Euro schuldet.