„Dialog in der Mitte Europas“ ruft zum Zusammenhalt auf
ORF | Yvonne Strujic
Wieviel Vielfalt die europäischen Gesellschaften vertragen, darüber diskuttierten unter anderem auch die slowakische Nationalratsabgeordnete, ehemalige Botschafterin der Tschechoslowakei in Österreich und zuletzt auch Botschafterin in Polen Magdaléna Vášáryová. In Rádio Dia:tón spricht die Soziologin und Universitätsporfessorin Vášáryová über ihr Entsetzen darüber, dass tschechische Studenten/innen im Hörsaal lachen, wenn sie von Zusammenhalt der Europäischen Union spreche. Die allgemeine Meinung unter der Bevölkerung der Visegrád- Länder sei wohl, sie hätten noch nicht das große Stück vom Kuchen abgekriegt, erörtert Vášáryová die vorherrschende ablehnende Haltung der Länder zur Aufnahme von geflüchteten Menschen: „Wir selbst brauchen noch Hilfe, also erwartet nicht von uns, dass wir jemandem anderen helfen.“
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Matějka | Ablehnende Haltung „absurd“
Historiker Ondřej Matějka vom Institut für Forschung totalitärer Regime | Ústav pro studium totalitních režimů aus Prag beteiligt sich auch an dem Symposium. Im Gespräch für Rádio Dia:tón hebt er hervor, dass es für die Länder Tschechien und Slowakei aus ökonomischer Sicht überhaupt kein Problem wäre, bis zu 15.000 Flüchtlinge aufzunehmen: „Die Slowakei und Tschechien sind sowohl wirtschaftlich als auch politisch sehr stabil. Diese Länder sind mittlerweile reich geworden und es ist vollkommen absurd, irgendwelche Probleme abwehren zu versuchen, aus eher ideologischen als praktischen Gründen.“ Es gebe aber eine rege tschechische Bürgergemeinschaft, die sehr aktiv in Mazedonien und am Balkan helfe, da in Tschechien kaum Flüchtlinge ankamen. Diese Bürgerinitiative sei ähnlich stark wie jene in Österreich, oder Deutschland und würde die ankommenden Menschen auch dort versorgen können, betont der Historiker. Schließlich baue die Unterstützung zur Aufnahme von Flüchtlinge großteils auch auf der Gesellschaft auf.
Matějka erinnert an die unproblematische, unhysterische Annahme von zehntausenden Flüchtlingen vor dem Balkankrieg in den Neunzigerjahren in Tschechien. Obwohl man bedenken müsse, so Ondřej Matějka, dass das Land damals um einiges ärmer war als heute. „Wir sind wohl schon so stabil und daran gewöhnt, sich mit nichts auseinandersetzen zu müssen“, unterstreicht Matějka.
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M. Vášáryová: „Krise der Vysegrád-Länder“
In einer Demokratie seien lange Diskussionen Vorraussetzung, hier sei es bedeutend, so Vášáryová, dass sich die Länder einigen. Und das nicht nur, „was die Bankunion betrifft, der die Slowakei selbstverständlich zustimmt“, sondern auch in den wichtigen Integrationsfragen.
„Es ist also eine Krise, aber gar nicht eine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise der Vysegrád- Länder, die uns wohl zeigen wird, dass es so nicht geht“, so Magdalena Vášáryová. Sie rundet mit einem Hinweis darauf ab, dass in dieser europäischen Diskussion mit schnellen Lösungen nicht gerechnet werden soll, denn solche hätten nur Betrüger anzubieten.
Das XXV. Brünner Symposium, „Dialog in der Mitte Europas“ | Wie viel Vielfalt vertragen unsere Gesellschaften? Der Umgang mit Flüchtlingen in historischer und europäischer Perspektive fand von 18.- 20. März in Brünn statt. Bei der Organisation dieser Jubiläumskonferenz haben die Ackermann-Gemeinde, die Bernard Bolzano Gesellschaft, gemeinsam mit der Stadt Brünn zusammengearbeitet. Für das nächsten Jahr wurde schon das nächste Symposium am selben Ort angekündigt.
Vor der Kulisse der Brünner Altstadt hielt das diesjährige Symposium Gedanken fest, die Angst und Ablehnung aufheben- und die Pluralität der Kulturen wieder entmystifizieren könnten. Für ein Zusammenleben in einer Gemeinschaft, die aus den dunklen Etapen der Geschichte große Lehren zu ziehen weiß.
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Programm des Symposiums | Ackermann Gemeinde
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