DÖW beherbergt Zeugen der vergessenen Geschichte
On demand | Rádio Dia:tón | 14.3.2016
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C. Kuretsidis-Haider
Rádio Dia:tón
14.3.2016 | 21:40 Uhr
Radio Burgenland | Livestream
Die Exponate der Ausstellung „Engerau: Zabudnutý príbeh Petržalky | Engerau: The Forgotten Story of Petržalka“ waren als stille Zeugen des ehemaligen Arbeiterlagers im heutigen Petržalka voriges Jahr im jüdischen Gemeindemuseum Bratislava ausgestellt. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien holte diese nun auch nach Wien.
picturedesk/önb-bildarchiv
Österreichische NS-Täter ermordeten 500 Gefangene
Claudia Kuretsidis-Haider, die sich schon in ihren früheren Publikationen mit der Nachkriegsjustiz in den Engerau-Prozessen ausführlich auseinandersetzte, spricht in der aktuellen Sendung Rádio Dia:tón über das Lager Engerau, von dem aus ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter am sogenannten „Schutzwall Ost“ unter unmenschlichen Bedingungen schuften mussten. „Österreichische NS-Täter haben dort mehr als 500 Personen ermordet. Es gehört zu den größten Verbrechen, die noch in den letzten Kriegstagen verübt worden sind“, hebt die Historikerin auch die Bedeutung der österreichischen Betroffenheit in der Geschichtsaufarbeitung von Engerau hervor.
1945 gab es in Wien den ersten großen NS-Prozess von insgesamt sechs Engerau-Prozessen, bei dem drei der vier Angeklagten zu Tode verurteilt wurden, darunter auch der SA-Wachmann Rudolf Kronberger. Danach sei Engerau, nicht zuletzt auch, weil es hinter dem einst sogenannten „Eisernen Vorhang“ lag, in Vergessenheit geraten.
Engerau | Eine slowakisch-österreichisch-ungarische Erinnerung
Das jüdische Gemeindemuseum in Bratislava präsentierte diese Ausstellung im Jahr 2015, zum besonderen Gedenkjahr, zum 70. Jahr der Befreiung vom Terrorregime der NS- Kriegsmaschinerie. Es war Maroš Borský, Leiter des jüdischen Gemeindemuseums in Bratislava, der einen tieferen Blick in die grausamen Geschehnisse von damals richtete. So fand er im slowakischen Nationalarchiv historische Dokumente von Opfern des Lagers Engerau, auf denen sich die Ausstellung, umrahmt von Bildern des heutigen Bratislaver Stadtteils der Fotografin Illah van Oijen, aufbaut.
„Es ist die Geschichte Bratislavas, eine der vielen Geschichten, die einfach vergessen wurden. Petržalka war auch der erste Ort in der Slowakei, von dem aus man nach Ende des Zweiten Weltkriegs die deutschsprachige Bevölkerung abführte. Denn der Großteil der Bewohner von Petržalka war vor dem Zweiten Weltkrieg deutschsprachig. Der Großteil dieser Bevölkerung ist also einfach verschwunden“, erzählt Maroš Borský.
DÖW
Petržalka lag auf österreichischer Seite
Der Stadtteil Petržalka, die heute größte und dicht besiedelste Wohnsiedlung der Slowakei, gar Europas, entstand in den Jahren 1973-1989. „Dass hier zuvor eine relativ große Gemeinde stand, die jedoch bis auf ein paar Häuser verloren ging, wissen wohl die wenigsten Bewohner von heute" so Borský. Das Örtchen Engerau war vor Ende des Zweiten Weltkriegs Teil des Großdeutschen Reichs und lag auf österreichischer Seite. „Im Katalog zur Ausstellung ist es uns gelungen, alles das, was man auf der österreichischen Seite wusste und woran sich die slowakische Öffentlichkeit erinnerte, zusammenzufügen“, so der Leiter des jüdischen Gemeindemuseums. Damit sei es gelungen, die Öffentlichkeit wieder auf die dunklen Teile der slowakisch-österreichischen Geschichte aufmerksam zu machen.
Heute sei laut Kuretsidis-Haider der Titel „Vergessenes Petržalka“ zumindest in der Grenzregion gar nicht mehr so aktuell, denn die Verbrechen und deren Täter seien durch die stetige Entstehung von Gedenkorten, auch in den Orten Wolfsthal oder Bad Deutsch Altenburg, durch deren Straßen die Gefangenen in einem Todesmarsch vorbeigeführt worden waren, dem Vergessen entrissen worden.
Ein Mahnmal auf dem Friedhof Petržalka bleibt neben den Exponaten der Ausstellung, ein stumm schreiender Zeuge, dessen Ritzen warnend den Schmerz für die Ewigkeit bewahren.
17. April | Gedenkfahrt nach Petržalka
Zum Rahmenprogramm der Ausstellung gehört auch die Gedenkfahrt nach Petržalka am 17. April. Eine Gedenkkundgebung beim ehemaligen Teillager Leberfinger im Aupark und die Enthüllung eines Gedenksteines für die Opfer des Lagers Engerau sind Teil des gemeinsamen Erinnerns.
Die Ausstellung Engerau: The Forgotten Story of Petržalka ist noch bis 20. April 2016 im Dokumentationsarchiv der Österreichischen Widerstandes im alten Rathaus zu sehen.
Detaillierte Informationen zur Anmeldung
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Katalog | „Engerau, The forgotten story of Petržalka"
Židovské komunitné múzeum | Bratislava
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes