NS-Mahnmal auf Wiener Aspangbahnhof eröffnet

Ein Mahnmal auf dem Areal des früheren Wiener Aspangbahnhofs erinnert seit heute an 47.035 Menschen, die Nationalsozialisten von hier aus in Konzentrationslager transportieren ließen. Auch die Volksgruppe der Roma und Sinti verlor auf diesem grausamen Weg zahlreiche Verwandte und Bekannte, die ins Lager Łódź (Polen) deportiert worden sind.

Fast 100 Jahre lang hat der Aspangbahnhof in Wien-Landstraße überdauert, bevor er 1977 endgültig abgerissen wurde. 1881 eröffnet, diente die Verkehrsstation zu Monarchiezeiten als Ausgangspunkt für Züge Richtung Süden. Die Nationalsozialisten machten den Bahnhof zu einem Ort der Grauens. Zehntausende Menschen wurden von hier aus in Ghettos und Konzentrationslager deportiert.

Mahnmal am Aspangbahnhof

APA/Herbert Neubauer

Erinnerung an „Zeit ohne Gnade“

„Die Shoah hat nicht nur in fernen Vernichtungslagern stattgefunden“, sondern eben auch „mitten in der Stadt, vor den Augen der Bevölkerung“, betonte Historikerin Heidemarie Uhl. Sie erinnerte bei der heutigen Denkmalenthüllung an die 47.035 Deportierten, die in 47 Transporten - die überwiegende Mehrheit fand in den Jahren 1941/42 statt - per Zug in die Vernichtungslager geschickt worden waren. Nur 1.073 Menschen überlebten.

Ein Bahnhof als grausames Rad der Geschichte

Im Bereich des Bahnhofs befand sich vor 1881 der Wiener Neustädter Kanal, der für die Schifffahrt allerdings zunehmend unwirtschaftlich wurde. 1879 wurde diese im Wiener Stadtgebiet eingestellt, die Wasserstraße bzw. das Hafenbecken trocken gelegt und zugeschüttet und stattdessen die Eisenbahnhaltestelle errichtet. Das Aufnahmegebäude war im historisierenden Renaissancestil gehalten und beherbergte auch ein modernes Postamt inklusive Rohrpost und Telegrafenstation.

Von hier aus fuhren die Züge Richtung Süden ab, bis nach Aspang im Wechselgebiet. Der ursprüngliche Plan, die Strecke bis an die kroatische Grenze zu führen, war verworfen worden. Die Fahrt Wien-Aspang betrug drei Stunden und 20 Minuten. Ab Aspang wurde der Verkehr dann über den Wechsel Richtung Graz geführt.

Mahnmal am Aspangbahnhof

APA/Herbert Neubauer

Mit der NS-Machtübernahme spielte die Verkehrsstation dann eine wichtige Rolle in der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Ab 1939 wurde hier die Deportation von Juden abgewickelt. Bis 1942 gingen zahlreiche Züge ab, die die Menschen zuerst in die sogenannten Auffanglager von Rest-Polen, später nach Theresienstadt, und von diesen weiter u.a. in die Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka oder Maly Trostinez transportierten. Dort fand die große Mehrheit der Opfer den Tod.

Von mehr als 47.000 Deportierten kamen nur rund 1.000 Menschen zurück. Angehörige der Volksgruppe der Roma wurden ebenfalls vom Aspangbahnhof in das Lager Litzmannstadt | Łódź deportiert. Ab 1943 erfolgten die Deportationen vom Nordbahnhof.

Mahnmal am Aspangbahnhof

APA/Herbert Neubauer

„Eurogate“ bietet Platz für Erinnerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Aspangbahnhof unter britischer Kontrolle. Danach verfiel die Strecke mangels Renovierungen zusehends. Mit der Eröffnung der S-Bahn-Haltestelle Rennweg in unmittelbarer Nähe verlor der Aspangbahnhof jede Funktion und wurde für den Personenverkehr gesperrt. Das Bahnhofsgebäude selbst wurde 1977 abgerissen, die Gleisanlagen entfernt bzw. verlegt und das Gebiet Anfang der 2000er-Jahre unter dem Namen „Eurogate“ zum Stadtentwicklungsgebiet für Wohnungen, Büros und Grünflächen erklärt.

Vom früheren Bahnhofsgelände ist heute nichts mehr zu erkennen. Lediglich ein Straßenschild „Platz der Opfer der Deportation“ und ein Gedenkstein erinnerten bisher an die düstere Geschichte des Areals. Das hat sich mit der Realisierung des Mahnmals, das symbolische Schienenstränge in einem grabähnlichen dunklen Betonblock münden lässt, geändert. Die Gedenkstätte samt großzügiger Erklärungstafel wurde heute, Donnerstag | 15.9.2017 offiziell eröffnet.

Mahnmal am Aspangbahnhof

APA/Herbert Neubauer

Auf das Grauen der Vergangenheit nimmt das Mahnmal seit heute im Leon-Zelman-Park direkt Bezug: Auf einer Länge von 30 Metern verlaufen - parallel zur Aspangstraße - zwei konisch sich verengende Betonschienen am Boden, die die Gleisstränge der in den 1970er-Jahren endgültig abgerissenen Verkehrsstation darstellen sollen.

Im Sinne der Mahnung „Niemals vergessen“ wurde ein Gedenkstein um eine große Tafel ergänzt, die über den Ort informiert. Eine Liste der Deportationszüge mit Datum, Zielort und Zahl der Deportierten sowie eine Landkarte mit den Deportationszielen findet man hier ebenfalls.

8.11.2016 | Gleise des Grauens | Wiener Mahnmal für Deportationsopfer entsteht