Brüssel: „ernsthafte Gespräche“ mit Ungarn

Ungarns umstrittenes Gesetz zur Einsperrung von Asylbewerbern ruft nun auch die EU-Kommission auf den Plan. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos werde zu „ernsthaften Gesprächen“ mit der Regierung nach Ungarn reisen, hieß es am Mittwoch aus Brüssel. Die Grünen im EU-Parlament forderten ein Vertragsverletzungsverfahren. Scharfe Kritik übten der Europarat und Organisationen wie Pro Asyl.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Kommissare hätten bei ihrer wöchentlichen Sitzung die rechtliche Lage nach der Gesetzesreform in Ungarn diskutiert. Sie beschlossen demnach, dass Innenkommissar Avramopoulos demnächst Gespräche mit der Regierung in Ungarn führen solle. Die Kommission werde danach eine „detaillierte rechtliche Bewertung“ vornehmen.

Strikte Abschottung gegenüber Flüchtlingen

Ungarns rechtspopulistischer Regierungschef Viktor Orban verfolgt eine Politik der strikten Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Das ungarische Parlament hatte am Dienstag beschlossen, dass Flüchtlinge künftig in Transitzonen an der Grenze zu Serbien festgehalten werden, bis über ihr Asylverfahren endgültig entschieden wird. Diese Praxis galt bereits zuvor für jene Personen, die innerhalb von acht Kilometern von der serbischen Grenze aufgegriffen wurden. In Zukunft werden alle auf ungarischem Staatsgebiet aufgegriffenen Migranten in diese Zonen gebracht. Das Festhalten an der Grenze gilt dann zudem auch für „verletzliche Personen“ wie unbegleitete Minderjährige, Kranke oder Familien mit kleinen Kindern. Bisher wurden diese in Flüchtlingsunterkünften anderswo im Land untergebracht.

Scharfe Kritik von den Organisationen

Die Grünen-Fraktion im EU-Parlament forderte nun in einem Brief an die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und das Ende des dortigen Frontex-Einsatzes. „Ungarn verletzt offensichtlich und unverfroren europäisches Asylrecht und tritt die europäischen Grundrechte mit Füßen“, erklärte die Co-Fraktionsvorsitzende Ska Keller.

Auch Pro Asyl sprach sich für ein Vertragsverletzungsverfahren aus. Schließlich verstoße die Inhaftierung von Asylsuchenden „eklatant gegen EU-Recht und internationales Recht“, sagte Europareferent Karl Kopp der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Mittwoch.

Der Europarat kritisierte Ungarns Entscheidung zur Internierung von Flüchtlingen als „klare Verletzung“ der europäischen Menschenrechtskonvention. Auch das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR hatte den Beschluss als Verstoß gegen „Ungarns Verpflichtungen nach internationalem und EU-Recht“ kritisiert.