2016 in Ungarn „Freiheitskampf“

2016 geht zu Ende. Ein Jahr, das in Ungarn von Flüchtlingskrise, Referenden, teuren Plakatkampagnen und dem „Freiheitskampf“ des rechtskonservativen ungarischen Premiers Viktor Orban gegen Brüssel überschattet wurde. Lehrer und Schüler demonstrierten außerdem für ein besseres Bildungswesen, was jedoch ohne Volkszorn wenig Eindruck hinterließ bei der Orban-Partei Fidesz.

Diese profitierte auch 2016 hinsichtlich der Wählergunst von der Flüchtlingskrise, strengte ein Referendum gegen die „EU-Zwangsquoten“ an und verkündete trotz dessen Ungültigkeit wegen mangelnder Wahlbeteiligung Anfang Oktober euphorisch ihren Sieg. Immerhin hätten 98,3 Prozent die Frage, ob die EU Ungarn ohne Zustimmung des Parlaments Asylbewerber zuteilen dürfe, mit Nein beantwortet.

Uneinige, schwache sozialliberale Opposition

Die uneinige, schwache sozialliberale Opposition protestierte gegen diese Auslegung des Ergebnisses des Volksbegehrens, wie immer erfolglos. Die rechtsradikale Jobbik-Partei wiederum versagte Orban ihre Unterstützung im Parlament, als der Premier die Ablehnung der EU-Quoten in der Verfassung festschreiben wollte, wofür eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig war. Jobbik hatte als Gegenleistung die Einstellung des Verkaufs von ungarischen und damit EU-Aufenhaltstiteln an Ausländer gegen ungarische Staatsanleihen gefordert. Die Käufer sind zumeist reiche Russen, Chinesen und Araber. Die Opposition warf der Regierungspartei vor, die nationale Sicherheit zu gefährden, und machte führenden Politikern zugleich Korruptionsvorwürfe.

Das Thema Flüchtlinge hat kaum Relevanz

Das Thema Flüchtlinge hat zwar kaum Relevanz in Ungarn, weil es kaum Migranten gibt. Dennoch hat sich die Orban-Partei dieses Thema gesichert, das nach wie vor gute Popularitätsquoten verspricht, aber allein wohl nicht ausreicht für den Wahlsieg 2018. So schaltete Fidesz bereits heuer in den Wahlmodus. Mit einer Minimallohnerhöhung soll die Popularität erhöht und die Abwanderung ungarischer Arbeitskräfte ins Ausland - bisher verließen Hunderttausende, vor allem junge und gut ausgebildete Menschen Ungarn - gestoppt werden.

Nächste Wahlen im 2018

Umfragen sprechen dafür, dass Orban auch 2018 die Wahlen gewinnen kann, obwohl eine Zwei-Drittel-Mehrheit wie 2010 als fraglich gilt. Nach der jüngsten Meinungsumfrage vereint Fidesz 25 Prozent der Wählerstimmen auf sich. Es folgen die Sozialisten (MSZP) und die rechtsradikale Jobbik-Partei in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit jeweils zwölf Prozent. Ansonsten würde nur die Demokratische Koalition (DK) von Ex-Premier Ferenc Gyurcsany die Fünf-Prozent-Hürde ins Parlament schaffen.

„Nepszabadsag“ wurde geschlossen

Unterdessen haben die bedrängten oppositionellen Medien Ungarns eines ihrer wichtigsten Sprachrohre verloren. Die 1956 gegründete, linksliberale Traditionszeitung „Nepszabadsag“ wurde überfallsartig im Oktober geschlossen. Der Verleger Mediaworks, damals der österreichischen Beteiligungsgesellschaft VCP (Vienna Capital Partners) gehörend, argumentierte mit wirtschaftlichen Gründen. Dabei hatte „Nepszabadsag“ immer wieder kritisch über Orban und dessen Partei berichtet. Tausende Demonstranten protestierten vor dem Parlament gegen die Schließung des Blattes. Kurz nach dem Coup wurde Mediaworks, das zuvor sein Portfolio um eine Reihe von Regionalblättern vergrößert hatte, an eine Firma aus dem Umfeld des regierungsnahen Unternehmers Lörinc Meszaros verkauft.

Wichtige Rolle in der Visegrad-Gruppe

Dabei ist Orban ist nicht nur der starke Mann in Ungarn, sondern spielte auch in der Visegrad-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei), die mehr Einfluss auf die EU-Politik verlangt, heuer eine prominente Rolle. Weiters kündigt sich laut Medien der Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“ zu den USA an, weil Orban der einzige Regierungschef eines EU-Landes war, der den Wahlsieg von Donald Trump euphorisch begrüßte.

Unter seinen Gesinnungsfreunden findet Orban breite Unterstützung, auch für seinen „Freiheitskampf“ gegen Brüssel. Der Premier fordert mehr „Souveränität“ für sein Land, aber ebenso den freien Griff in die Fördertöpfe der EU. Brüssel zeigte Orban hin und wieder schwachbrüstig die Gelbe Karte.

So war 2016 - im Gegensatz zum Flüchtlingskrise-Jahr 2015 - verhältnismäßig ruhig in Ungarn. Es gab Demonstrationen, jedoch ohne gesellschaftlichen Donnerschlag. Politikmüdigkeit war die Folge, und die Erkenntnis, dass solche Protestaktionen die Regierung nicht ins Wanken bringen können.