„Weniger Dayton und mehr Brüssel“

„Ich würde mir für Bosnien weniger Dayton und mehr Brüssel wünschen.“ Die EU müsse ihre Präsenz auf dem Balkan weiter verstärken, ansonsten füllen diesen Raum andere, betont der internationale Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko im Vorfeld des Bosnien-Besuches von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ).

Gute Beziehungen zwischen Österreich und Bosnien

Österreich gelte in dem 3,9 Millionen-Einwohnerland weiterhin als verlässlicher Partner. Das zeige auch der für Donnerstag und Freitag geplante Besuch Kneissls. „Im Gegensatz zu anderen Ministern beweist sie damit, dass sie Interesse hat an der größeren Nachbarschaft Österreichs“, so Inzko. „Wir tun uns damit auch selbst etwas Gutes, es ist ja unser ureigenstes Interesse. Wir sind größter Investor und bedeutender Handelspartner. Ich sehe das aber auch im globalen Kontext. Die Glaubwürdigkeit Österreichs und der EU wird größer sein, wenn wir die eigenen Probleme zu Hause (in Europa, Anm.) lösen und einen Kontinent der Prosperität und Stabilität schaffen.“

Traditionell sind die Beziehungen zwischen Österreich und Bosnien sehr eng, weshalb auch die Erwartungen „entsprechend hoch“ sind, meint der Kärntner Slowene. Die jüngsten Aussagen der nunmehrigen Regierungspartei FPÖ zur kleineren bosnischen Entität, der Republika Srpska, sowie zum Kosovo seien in Sarajevo „zur Kenntnis genommen“ worden. Zwar gab es „Verwunderung“ darüber, „aber das war im Wahlkampf und man weiß, dass (FPÖ-Chef Heinz-Christian) Strache damit Wählerstimmen von Österreichern serbischer Herkunft lukrieren wollte“, erklärt Inzko.

Außerdem sei klar, dass die Außenpolitik von der Ministerin vorgegeben wird und auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe betont, dass „Bosnien so bleiben soll wie es ist“. Es gebe keine Änderung der Balkan-Politik Österreichs. „Alles andere könnte den gesamten Balkan destabilisieren und dadurch könnten andere Bestrebungen wieder aktiviert werden. Das wäre keine gute Entwicklung“, warnt der Spitzendiplomat.

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Inzko hat als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina die Aufgabe, die zivilen Aspekte des Dayton-Friedensabkommens, mit dem Ende 1995 der dreijährige Bosnien-Krieg beendet wurde, umzusetzen und zu überwachen.

Der Dayton-Vertrag sah die Schaffung von zwei Landesteilen - der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Serbischen Republik (Republika Srpska) vor. Die gesamtstaatlichen Institutionen sind allerdings mit relativ geringen Befugnissen ausgestattet. „In Zukunft soll es aber weniger Dayton und mehr Brüssel geben“, betont Inzko, der das Amt seit 2009 innehat. Es werde „sicher auch zu Änderungen des Vertrages kommen“, aber im Moment sei dies nicht realistisch, „auch wenn jeder die Notwendigkeit sieht“. Vor allem der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, werde „Dayton 2, wie das Experten nennen, wahrscheinlich nicht zustimmen“.

Die komplizierten Mechanismen, die Dayton vorsieht, müssten künftig reformiert werden, auch Veränderung in der Struktur des Staatspräsidiums wären nach Inzkos Ansicht möglich, aber nicht gegenwärtig. Derzeit steht an der Spitze Bosniens ein Dreiergremium: Bakir Izetbegović vertritt die bosniakische Volksgruppe, Mladen Ivanić die serbische und Dragan Čović die kroatische. Vor allem solle die Funktionalität der Institutionen gestärkt werden, so Inzko.

Bisher ist die Politik aufgrund dieser Strukturen oftmals gelähmt. Man könnte in Zukunft anstreben, einen Staatspräsidenten und zwei Stellvertreter zu haben. Der Präsident bliebe vier Jahre lang Vorsitzender, dann könnte rotiert werden, schlägt Inzko nach dem Muster des Amts des Premiers vor, wo es seinerzeit ebenfalls alle acht Monate eine Rotation gab, nun aber lediglich alle vier Jahre. Aber auch das sei im Moment nicht realistisch.

„EU darf Bosnien nicht aus den Augen verlieren“

Klar sei jedenfalls, dass die EU den Balkan und vor allem Bosnien nicht aus den Augen verlieren dürfe. „Denn ich als Hoher Repräsentant muss mich ja auch langsam zurückziehen. Und wenn die EU diesen Raum nicht füllt, dann werden natürlich andere kommen.“ Tun sie das nicht schon lange? Ja, sagt Inzko. „Aber die Strahlkraft der EU ist weiterhin ungebrochen. Viele der Jungen wollen lieber früher als später in die EU.“

„Ich persönlich war immer für einen früheren Kandidatenstatus und für eine späte Mitgliedschaft“, antwortet er, angesprochen auf die Frage der EU-Perspektive Bosniens. So könne man schon früher Projekte planen und das Land stärker an die EU anbinden. 2016 hatte Sarajevo seinen Antrag zur Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten gestellt. Ende des Monats übergibt Bosnien nun einen ausgefüllten Fragebogen mit über 3.000 Antworten an Brüssel, der Grundlage für die Entscheidung über die Verleihung des Kandidatenstatus sein wird. EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn soll diesen Fragebogen am 28. Februar in Sarajevo persönlich entgegennehmen.

Ein prosperierendes, stabiles Bosnien-Herzegowina, das ist für Inzko durchaus denkbar. „Das Land hat unglaublich viele Talente, viel Potenzial. Aber der Wandel muss auch von unten kommen.“ Die größten Herausforderungen derzeit seien Rechtsstaatlichkeit, Versöhnung und Bildung, aber auch die hohe Arbeitslosigkeit, trotz erstaunlichem Wirtschaftswachstum von über drei Prozent.

Siehe Meldung vom Tag: Kneissls heikle Bosnien-Reise