Der Kampf um Anerkennung | Theaterfestival „Roma-Helden“ in Budapest

In einer stillen Straße im 11. Budapester Stadtbezirk befindet sich das Studio K. Rodrigo Balogh sitzt in dem spartanisch eingerichteten Proberaum bei einem großen Espresso und ordnet Fotos.

Der 39-Jährige erzählt von der Vorbereitung des 2. Internationalen Theaterfestivals „Roma-Helden“, dem einzigen seiner Art weltweit. Die Zeiten dafür sind nicht einfach.

Der studierte Theatermann und Direktor des Budapester „Unabhängigen Theaters“ gehört zu der größten ungarischen Minderheit, den Roma, deren geschätzte 600.000 Angehörige sich selbst als „Cigany“ (Zigeuner) bezeichnen. Er ist Kurator des Festivals, das vom 24. bis 27. Mai im Studio K Theater in der Budapester City stattfindet. Aufgeführt werden acht der 23 eingereichten europäischen zeitgenössischen Stücke. Sie wollen das Interesse wecken für die Werte des Roma-Dramas, dem Geschichtenerzählen, wollen aufmerksam machen auf die Lage der Roma.

Es sei ein Spiel gegen den Teufelskreis einer Minderheit, der von Armut und sozialer Ausgrenzung beherrscht wird, erzählt der Mann mit dem tiefschwarzen Haar und dem melancholischen Blick. Doch es ginge nicht darum, wie man gescheitert ist, sondern wie man es geschafft hat, wieder aufzustehen.

Beim Festival sind Werke u.a. aus Rumänien, Bulgarien, Spanien, Italien, Irland vertreten. Aufnahmen der Vorstellungen werden archiviert, um sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Auch soll das Material ab September als Lehrstoff an Universitäten und Hochschulen zum Einsatz kommen. Balogh erinnert an die Aktivitäten des Wiener Vereins Romano Svato unter Sandra und Simonida Selimovic. Hätte eine andere Regierung in Österreich die Wahlen gewonnen, gebe es heute in Wien wohl ein Roma-Theater, behauptet der Direktor.

Bevor 2017 das erste Festival stattfand, hatte das Team des „Unabhängigen Theaters“, das kein Gebäude besitzt und oft unter freiem Himmel spielt, zwei Jahre lang professionelle Roma-Ensemble in ganz Europa aufgesucht. „Danach haben wir eine Sammlung mit 45 Werken zusammengestellt, letztlich vier von ihnen beim Festival in Budapest gezeigt. Auch damals ging es um Roma-Helden und -Heldinnen, um deren Leben und Kampf gegen Vorurteile, Ablehnung und Ausgrenzung“, sagt Balogh. „Mit der Idee des Festivals wollten wir zeigen: Hallo - uns gibt es auch noch!“

Bereits als Student der Filmhochschule und als junger Schauspieler hatte Balogh die stereotype Darstellung von Roma als beleidigend empfunden. Doch auch heute noch würde Roma-Kultur oftmals nur auf Gipsy-Musik und fiedelnde Zigeuner am Lagerfeuer begrenzt, würden die brennenden Probleme der Minderheit ignoriert, wie Armut, Arbeitslosigkeit, mangelnde Bildung. „Wir vom Theater können den Armen kein Brot geben, doch vielleicht Mut und Zuversicht durch unsere Arbeit.“

Europa rede seit langem von Integration der Roma, sei jedoch unfähig, mit seiner größten Minderheit umzugehen. „Als Ungarn 2011 die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, gab es Roma-Programme, Roma-Strategien, viel Geld für deren Verwirklichung. Doch leider wurden die Hoffnungen nicht erfüllt.“ Balogh bezeichnet sich selbst als Mitglied der „Soros-Generation“. Mithilfe des ungarischstämmigen US-Milliardärs und Philanthropen habe er, wie viele andere junge Menschen in Ungarn, seinen Weg gehen können. „Wäre ich vom ungarischen Staat abhängig gewesen, wäre ich heute kein Theaterdirektor, sondern würde vielleicht Kühe hüten.“ Auch wenn Soros heute massiv durch die Regierung angegriffen werde, würde er ihm diese Unterstützung nie vergessen.

Auch der EP-Abgeordnete der ungarischen oppositionellen linksliberalen Demokratischen Koalition (DK), Peter Niedermüller, bezeichnet die Lage der größten ungarischen Minderheit als tragisch. Die Roma in den kleinen entlegenen Dörfern würden unter teils unmenschlichen Bedingungen leben, ohne Infrastruktur, Arbeit, Schulen und ärztliche Versorgung. „Diese Menschen sind völlig sich selbst überlassen in ihrer Not“, erklärt Niedermüller. Er ist Mitglied des EP-Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, und gehört zur Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament.

Laut Niedermüller gebe es Roma-Politiker, deren Versuche zu helfen zumeist an den begrenzten Möglichkeiten scheitern. Zugleich kritisiert er die offizielle Institution der Roma in Ungarn, die Landesselbstverwaltung der Roma (OCÖ). „Hier wissen wir ganz genau, dass in den letzten Jahren mehrere Milliarden ungarische Forint verschwunden sind.“ Es gebe schwerwiegende Korruptionsfälle, auf die auch die Europäische Kommission und die EU-Antikorruptionsbehörde OLAF hingewiesen hätten, betont Niedermüller. Doch angesichts politischer Verflechtungen habe es keine gerichtlichen Folgen gegeben.

Während die EU-Roma-Integrationsstrategie nicht funktioniere, gebe es viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die den Roma helfen. Es wäre wichtig, dass diese NGOs direkte finanzielle Hilfe von der EU erhalten, nicht über den bürokratischen Apparat, nicht über Regierungen, Ministerien. „Das möchten wir im Europaparlament durchsetzen. Denn ohne die Hilfe der NGOs wäre auch die Lage der ungarischen Roma noch aussichtsloser“, betont der EP-Abgeordnete.