Aufnahmezentren für UNHCR in Nordafrika wenig realistisch

In der Diskussion um Flüchtlingspolitik ist Nordafrika nach Schließung der Balkanroute immer mehr in den Fokus gerückt. Die Idee von Aufnahmezentren in dieser Region hält sich dabei hartnäckig.

Doch von den Bedingungen dafür sei man derzeit „meilenweit“ entfernt, sagte Christoph Pinter, Leiter des Österreich-Büros des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), gestern von Journalisten.

„Meilenweit entfernt“ von gewissen Bedingungen

Grundsätzlich seien Aufnahmezentren in Nordafrika „unter gewissen Bedingungen durchaus vorstellbar“, so Pinter. „Aber von diesen Bedingungen sind wir derzeit meilenweit entfernt. Ich sehe das in sehr, sehr weiter Zukunft, wenn es überhaupt umsetzbar ist.“ Vor allem in Libyen, wo die politische Situation nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 kontinuierlich instabiler wurde, ist der Aufbau solcher Erstaufnahmezentren schwer vorstellbar. Um die Macht im Land rivalisieren zwei Regierungen und zahlreiche Rebellengruppen - im Falle von Verhandlungen stellt sich deshalb zuallererst die Frage nach dem Verhandlungspartner.

Problematische Situation in Libyen

Aber auch für das UNHCR ist die Arbeit in dem Land eine große Herausforderung. Derzeit seien die Mitarbeiter damit beschäftigt, Flüchtlinge aus den Gefängnissen zu holen. Die UNO sowie Menschenrechtsorganisationen haben in den vergangenen Monaten immer wieder auf die menschenunwürdigen Bedingungen für Schutzsuchende in Libyen aufmerksam gemacht. Sie würden dort in überfüllten Haftzentren, ohne Nahrung und Zugang zu sauberem Wasser und Toiletten festgehalten, zudem gebe es regelrechte „Sklavenmärkte“. Landesweit sind allerdings derzeit offiziell nur 40.000 Menschen beim UNHCR registriert, laut internationaler Schätzungen halten sich aber insgesamt zwischen 800.000 und einer Million Menschen in Libyen auf, die nach Europa gelangen wollen.

Schon viel früher ansetzen

Im Zusammenhang mit der Idee von Aufnahmezentren gab Pinter zu bedenken, dass es sich hier um eine sehr „europäische Sichtweise“ handle: „Wie kann ich verhindern, dass Menschen nach Europa kommen.“ Stehe hingegen die Sicherheit jener Personen im Mittelpunkt, müsse man schon viel früher ansetzen. Denn, zu dem Zeitpunkt, an dem Flüchtende Nordafrika erreichten, hätten sie bereits einen Großteil der beschwerlichen und gefährlichen Reise durch die Sahara hinter sich.

In Lebensbedingungen investieren

Das UNHCR plädiert deshalb dafür, die Lebensbedingungen von Flüchtlingen in den betroffenen Regionen bzw. Ursprungs- und Erstaufnahmeländer zu investieren und zu verhindern, „dass der Flüchtling das Gefühl bekommt, weiter flüchten zu müssen.“ In Kombination mit legalen Fluchtwegen - humanitären Visa, Familienzusammenführung u.ä. - könnte so auch effizienter verhindert werden, dass sich Menschen irregulär auf den Weg machen.

„Sie werden sich nicht aufhalten lassen“

Alleine durch die immer wieder auch von österreichischen Politikern geforderten Schließung der sogenannten Mittelmeerroute könnten Flüchtlingsbewegungen nicht aufgehalten werden. Push-Faktoren wie beispielsweise Bürgerkriege gebe es nämlich weiterhin, erklärte Pinter. „Nationale Maßnahmen lösen das nicht.“ Außerdem: „Wo zuzumachen, heißt das wirklich, es kommt niemand mehr? Oder kommen die Leute anderswo?“, fragte der Leiter von UNHCR Österreich. „Warum glaubt man, dass, wenn man wo zumacht, keine Leute mehr kommen? Menschen sind auf der Flucht, Menschen brauchen Schutz, sie werden sich nicht aufhalten lassen.“ Nationale Lösungen seien deshalb keine Flüchtlingspolitik, sondern nur Abschottungspolitik.

Link:

  • UNHCR Österreich