EU-Experte glaubt nicht an Allianz mit Visegrad-Staaten

Der EU-Experte Stefan Lehne glaubt nicht daran, dass die nächste Bundesregierung europapolitisch gemeinsame Sache mit den Visegrad-Staaten machen wird. „Das ist der letzte Klub, dem Österreich beitreten will, wenn es um inhaltliche Interessen geht“, sagte Lehne am Montag der APA.

Diese Staaten seien nämlich EU-Nettoempfänger, Verfechter der Personenfreizügigkeit, AKW- und NATO-Staaten, betonte er.

Ein Beitritt Österreichs zur Visegrad-Gruppe sei „völlig unwahrscheinlich“, betonte der Mitarbeiter des Brüsseler Think Tanks „Carnegie Europe“. Er räumte aber ein, dass sich Österreich in der Migrationsfrage mit Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn enger abstimmen könnte.

Višjegrajska skupina vrh Praga opozorilo EU

apa/afp/cizek

Regierungsvertreter/innen der Visegrad Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei

Lehne erwartet keine große Veränderung der EU-Migrationspolitik durch den Wechsel im Bundeskanzleramt. Zwar vertrete der wahrscheinliche künftige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in dieser Frage „eine relativ profilierte und EU-skeptische Haltung“, doch sei er „sicher kein Einzelfall“. Gerade in der Flüchtlingsfrage sei das Meinungsspektrum in den vergangenen Monaten „nach rechts gerückt“.

Der frühere Spitzendiplomat im Wiener Außenamt rechnet damit, dass die künftige Bundesregierung stärker auf die Kontrolle der EU-Außengrenzen und Rückführungen setzen und „vorsichtig“ zu einer möglichen Abschaffung der Schengen-Kontrollen stehen werde. „Nicht begeistert“ werde eine von Kurz geführte Regierung wohl auch bei der Vergemeinschaftung der Asylpolitik sein. Österreich werde damit im EU-Trend liegen. „Die Frage ist, ob sich das Problem damit lösen lässt“, sagte Lehne. Für eine nachhaltige Lösung der Flüchtlingsfrage brauche es nämlich europäische Solidarität.

In der Debatte über die EU-Reform stehe Kurz war gegen eine „massive Vertiefung“, werde sich aber „nicht als EU-Gegner positionieren“, auch weil er die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs im zweiten Halbjahr 2018 „ordentlich über die Bühne bringen“ wolle. „Ich sehe nicht das Problem, dass Österreich Reformen von vornherein sabotiert“, sagte Lehne mit Blick auf die ehrgeizigen Pläne des französischen Präsidenten Emmauel Macron, die Kurz distanziert aufgenommen hatte.

Größere Sorgen macht Lehne die von der FPÖ geforderte Aufwertung der direkten Demokratie, die zu Volksabstimmungen über EU-Themen führen könnte. Solche Referenden könnten dazu führen, dass Österreich Reformschritte blockiere, sagte der Experte mit Blick auf das niederländische Volksvotum über das EU-Ukraine-Abkommen. Kurz müsse mit diesem Instrument „vorsichtig“ umgehen.

Sanktionen wie im Jahr 2000 müsse eine künftige schwarz-blaue Regierung nicht befürchten. Damals sei durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ ein Tabu gebrochen worden. Dieses sei mittlerweile verschwunden, da in sieben EU-Regierungen rechtspopulistische Parteien am Ruder sind. Auch ein FPÖ-Außenminister müsste sich nicht auf massiven Gegenwind seiner EU-Partner gefasst machen, verweist Lehne auf den rechtspopulistischen finnischen Außenminister Timo Soini.