Indigene der Bagyeli kocht in der Region Kribi im Süden Kameruns im Wald gesammelte Pflanzen.  (26.5.2017)
NABILA EL HADAD / AFP / picturedesk.com
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Studie

Indigene beobachten Verschwinden essbarer Wildpflanzen

Weltweit berichten lokale bzw. indigene Gemeinschaften über einen signifikanten Rückgang von essbaren Wildpflanzen und -pilzen und davon verursachten negativen Auswirkungen auf ihre Ernährung und Ernährungssicherheit.

Das zeigt eine im Fachjournal „Global Food Security“ veröffentlichte Studie von Christoph Schunko von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien, der mit internationalen Kolleginnen und Kollegen knapp 80 bereits vorliegende Untersuchungen zu dem Thema analysiert hat.

Nahrungsversorgung auf nur noch 94 Nutzpflanzenarte beschränkt

„In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Ernährung der Menschheit weltweit immer mehr angeglichen und mittlerweile ruhen 90 Prozent der globalen Nahrungsversorgung auf nur noch 94 Nutzpflanzenarte“, erklärte Christoph Schunko vom Institut für Ökologischen Landbau der Boku gegenüber der APA. Damit habe sich zwar die globale Versorgung mit energiereichen Lebensmitteln gebessert – allerdings auf Kosten einer schlechteren Ernährung mit hohen Anteilen von raffinierten Kohlenhydraten, Zucker und Fetten sowie Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Eine weitere Folge der schwindenden Zahl an Pflanzenarten mit geringer genetischer Vielfalt sei, dass die Ernährungssysteme auch weniger widerstandsfähig gegenüber Veränderungen sind, etwa durch den Klimawandel, extreme Wetterereignisse oder Schädlinge.

Männer der Miskito überqueren den Fluss mit Lebensmitteln bei Puerto Cabezas, an der Karibik-Küste Nicaraguas. (24.9.2020)
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Bedeutung von Wildpflanzen für indigene Gemeinschaften

Für lokale und indigene Gemeinschaften seien essbare Wildpflanzen und -pilze allerdings nach wie vor wichtig: Rund um den Globus würden sie etwa 7.000 Wildpflanzen- und 2.000 Wildpilzarten nutzen. Auch wenn sie für die Energieversorgung in der Regel keine große Rolle spielen, seien sie wichtig für lokale Esskulturen, können positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben und seien wichtige genetische Reservoirs für Anbau und Züchtung.

Sicht indigener Gemeinschaften

Aus diesem Grund haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in ihrer Übersichtsarbeit die Veränderungen aus Sicht lokaler bzw. indigener Gemeinschaften untersucht, deren Mitglieder die sozio-ökologischen Veränderungen in ihrem Umfeld beobachten und genau beschreiben würden. Die Studie wurde im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrats (ERC) geförderten Projekts „Local Indicators of Climate Change Impacts“ (dt.: Lokale Anzeichen für Auswirkungen des Klimawandels; LICCI) durchgeführt, das von Victoria Reyes-Garcia von der Autonomen Universität Barcelona geleitet wird und an dem Schunko beteiligt ist.

Veränderung vor allem durch Abnahme des Bestands

Demzufolge wird eine Reihe von Veränderungen bei essbaren Wildpflanzen und -pilzen wahrgenommen, etwa was Verteilung, Geschmack, Qualität oder Ernte- bzw. Reifezeit betrifft. Dabei betrifft das Gros der registrierten Veränderungen (92 Prozent) eine Abnahme des Bestands an wild wachsenden Nahrungsmitteln. Dies gilt für alle Pflanzen- und Pilzarten, speziell für jene, die als Obst und Gemüse verwendet werden, sowie für alle Klimazonen.

Indigene beim Zubereitung von Essen in Santa Apolonia, Guatemala (31.12.2021)
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Negative Entwicklungen frühzeitig entgegenwirken

„Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass lokale Gemeinschaften auf der ganzen Welt über die abnehmende Menge an essbaren Wildpflanzen und -pilzen besorgt sind, die in vielen Fällen für ihre Ernährung und Lebensmittelsicherheit unerlässlich sind“, betonte Schunko. Er plädiert angesichts der Studienergebnisse dafür, die von den lokalen Gemeinschaften wahrgenommenen Veränderungen ernst zu nehmen, um negativen Entwicklungen frühzeitig entgegenzuwirken.

Landnutzungsänderungen, Überfischung, Umweltverschmutzung

Als Hauptursachen für den Rückgang der Bestände werden Landnutzungsänderungen, Überfischung, Umweltverschmutzung und Klimawandel angesehen. Deren Bedeutung sei aber je nach Kontinent und Klimazone unterschiedlich. So wird etwa der Klimawandel in Nord- und Südamerika häufiger als negativ für den Bestand essbarer Wildpflanzen und -pilzen empfunden als in anderen Kontinenten, die Übernutzung war eher ein Problem in trockenen Klimazonen während die Intensivierung der Landwirtschaft und Schädlinge eher im tropischen Klima eine größere Rolle spielen.