Vielschattierte Heimatsuche beim Burg-Konzert

Der geistige Boden für den Life Ball heute Abend ist bereitet: Mit viel Staraufgebot gelang dem Life + Celebration Concert im Burgtheater gestern ein Abend auf dem schmalen Grat zwischen glanzvoller Gala, mutiger Gedenkfeier und dem Generalthema „Sound of Music“.

Von der großen Opernarie bis zum feinsinnigen Holocaust-Erinnern wurde ein vielfach schattierter Heimatbegriff entworfen. Das Programm endete mit Jonas Kaufmann und Emmerich Kalmans Hymne an Wien „Wenn es Abend wird...“ aus der „Gräfin Mariza“ - und doch war schon beim Anheben dieses wehmütigen, heimatverlorenen Ständchens an diese, unsere Stadt klar: Dieses Wien ist unerreichbar, es ist untergegangen, hat sich, wie Stefan Zweig es in seiner „Welt von gestern“ formulierte, in seiner „ewigen Sorglosigkeit“ selbst dem Verderben geweiht.

Life Ball-Organisator Gery Keszler mit den Künstlern während des Schlussapplauses anl. des Life+ Celebration Concert am Freitag, 1. Juni 2018, im Burgtheater in Wien

APA/Georg Hochmuth

Life Ball-Organisator Gery Keszler mit den Künstlern während des Schlussapplauses anlässlich des Life+ Celebration Concert am Freitag, 1. Juni 2018, im Burgtheater in Wien

„Heimat“ untrennbar mit „Flucht“ verbunden

Dass man sich mit einem Potpourri aus Zweig, Nelly Sachs, „Schindlers Liste“ und der gnadenlos bewegenden Ute Lemper mit ihrem Lied aus Theresienstadt eindringlich an der Tatsache abgearbeitet hat, dass „Heimat“ in unserer eigenen Geschichte untrennbar mit „Flucht“ verbunden ist, und es dennoch geschafft hat, einen weitgehend bekömmlichen, von Starpracht geschmückten Abend abzuliefern, ist vor allem der sensiblen Gestaltung der Protagonisten zu verdanken. Denn Kaliber wie ein Kaufmann oder eine Lemper, wie Bo Skovhus, Juan Diego Florez, Rene Pape, Hila Fahima, Sunnyi Melles, Markus Meyer oder Andreas Schager sind nicht nur Stars, sie sind auch „sensationelle Künstler“, wie Gery Keszler es in seinen Abschlussworten formulierte.

„Heimat ist da, wo noch niemand war“

Und die schaffen nicht nur diesen, sondern einen vielleicht noch artistischeren Spagat: Es hat „ziemlich gewagnert“, gab Keszler zu, was ihm sogar von seinem Sitznachbarn, Kardinal Christoph Schönborn, ein erstauntes Raunen eingebracht habe. Tatsächlich war Richard Wagner mit Stücken aus „Lohengrin“, „Tannhäuser“ und „Siegfried“ ein prägender Komponist dieses Abends, der auch mit Verdi und Tschaikowsky auf durchaus üppige Opernkost gesetzt hat. Auch da ist Heimat vielfältig - für Siegfried ist es sein Schwert Nothung, für Aida ist es Äthiopien, für Mahler ist es in den Rückert-Liedern die Abkehr von der Welt. „Heimat ist da, wo noch niemand war“, hat man dem Abend als Motto des Philosophen Ernst Bloch vorangestellt. Ein utopischer Ort, der in der Zukunft liegt.

„Sound of Music“ als Motto nicht selbstverständlich

In großer räumlicher Nähe liegt jedenfalls der Life Ball selbst, bei dem heute erneut das bestens disponierte Wiener Kammerorchester unter Azis Sadikovic musizieren wird. Einige der Stargäste - von Rufus Wainwright bis Pattie LaBelle, von Caitlyn Jenner bis Kelly Osbourne - sind bereits gestern Vormittag mit dem Life Ball-Flieger in Wien angekommen. Sie werden beim Ball wohl für deutlich ausgelassenere Stimmung sorgen, als dass der Konzertabend als aussagekräftiger Vorgeschmack verstanden werden dürfte. Immerhin gehörten die letzten Takte dem „Sound of Music“, jenem weltbekannten Musical und Film über Österreich, „den wir in Österreich nicht kennen“, wie Keszler einräumte. Als Life-Ball-Motto also eigentlich eine Selbstverständlichkeit.