Ungarn und Slowakei müssen Flüchtlinge aufnehmen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Klagen von Ungarn und der Slowakei gegen die Flüchtlingsumverteilung abgewiesen. Beide Länder müssen Flüchtlinge aus Italien und Griechenland im Rahmen des „Relocation“-Programms aufnehmen.

Die Klagen gegen den EU-Beschluss zur Umverteilung von 120.000 Schutzsuchenden wurden vom EuGH „in vollem Umfang abgewiesen“, hieß es heute in dem Urteil.

Die EU-Staaten hatten zunächst im Juni 2015 die Umverteilung von 40.000 Flüchtlingen und im September 2015 von weiteren 120.000 Flüchtlingen innerhalb der EU beschlossen, die internationalen Schutz benötigen. Dies sollte Griechenland und Italien entlasten.

Klage von Slowakei und Ungarn

Die Slowakei und Ungarn, die wie Tschechien und Rumänien im Rat gegen das Programm waren, beantragten beim EuGH, den Beschluss für nichtig zu erklären. Sie stützten sich dabei zum einen auf Gründe, mit denen dargetan werden sollte, dass der Erlass des Beschlusses mit verfahrensrechtlichen Fehlern bzw. mit der fehlerhaften Wahl einer ungeeigneten Rechtsgrundlage einhergegangen sei, und zum anderen darauf, dass der Erlass des Beschlusses keine geeignete Reaktion auf die Flüchtlingskrise und zu diesem Zweck auch nicht erforderlich sei.

„Beurteilungsspielraum nicht überschritten“

Der EuGH verwies in seinem aktuellen Urteil nun darauf, dass der EU-Gipfel mit seiner Entscheidung vom 25. und 26. Juni 2015 zur Umverteilung seinen „weiten Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat“, als er annahm, dass die ursprüngliche Regelung einer Umverteilung von 40.000 Flüchtlingen auf freiwilliger Basis nicht genügen würde, um den in den Monaten Juli und August 2015 erfolgten „beispiellosen Zustrom von Migranten zu bewältigen“. Im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof trat Polen dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Slowakei und Ungarns bei, während Belgien, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Schweden und die Kommission als Streithelfer zur Unterstützung des Rates beitraten.

„Vorläufige Maßnahmen“

Der EuGH verwies darauf, dass es den „Unionsorganen ermöglicht ist, sämtliche vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um wirksam und rasch auf eine durch den plötzlichen Zustrom von Vertriebenen geprägte Notlage zu reagieren. Diese Maßnahmen dürfen auch von Gesetzgebungsakten abweichen, vorausgesetzt u. a., dass sie hinsichtlich ihres sachlichen und zeitlichen Geltungsbereichs begrenzt sind und weder bezwecken noch bewirken, dass solche Rechtsakte dauerhaft ersetzt oder geändert werden; diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.“

Keine Einstimmigkeit notwendig

Die Richter in Luxemburg stellten weiter fest, dass der Ministerrat nicht verpflichtet war, den von Ungarn und der Slowakei angefochtenen Beschluss einstimmig anzunehmen, „selbst wenn er in Anbetracht dessen, dass die vorgenannten Änderungen angenommen worden waren, vom ursprünglichen Vorschlag der Kommission abweichen musste. Die Kommission hatte den geänderten Vorschlag nämlich durch zwei ihrer Mitglieder, die vom Kollegium hierzu ermächtigt waren, gebilligt.“

Der EuGH erklärt in seinem Urteil ferner, dass „die Gültigkeit des Beschlusses nicht auf der Grundlage einer rückschauenden Beurteilung seines Wirkungsgrads in Frage gestellt werden kann. Wenn der Unionsgesetzgeber die künftigen Auswirkungen einer neuen Regelung zu beurteilen hat, kann seine Beurteilung nämlich nur in Frage gestellt werden, wenn sie sich im Licht der Informationen, über die er zum Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, als offensichtlich fehlerhaft erweist. Dies ist hier aber nicht der Fall, da der Rat die Auswirkungen der Maßnahme in Bezug auf die in Rede stehende Notlage auf der Grundlage einer detaillierten Prüfung der seinerzeit verfügbaren statistischen Daten einer objektiven Analyse unterzogen hat.“

„Mangelnde Kooperation bestimmter Mitgliedstaaten“

In diesem Zusammenhang weist der Europäische Gerichtshof insbesondere darauf hin, dass sich die „geringe Zahl der bisher aufgrund des angefochtenen Beschlusses vorgenommenen Umsiedlungen durch mehrere Faktoren erklären lässt, die der Rat zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Beschlusses nicht vorhersehen konnte, darunter namentlich die mangelnde Kooperation bestimmter Mitgliedstaaten.“ Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass der Rat keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als er davon ausging, dass das mit dem angefochtenen Beschluss verfolgte Ziel nicht durch weniger restriktive Maßnahmen hätte erreicht werden können.

Vertragsverletzungsverfahren vorantreiben

Sollten Ungarn, die Slowakei oder andere EU-Staaten sich nun weiterhin gegen den Beschluss und die Aufnahme von Flüchtlingen sperren, könnte die EU-Kommission auf solider rechtlicher Basis sogenannte Vertragsverletzungsverfahren vorantreiben, die letzten Endes in hohen Geldstrafen münden können. Gegen Ungarn, Polen und Tschechien hatte die Brüsseler Behörde bereits im Juni erste derartige Schritte eingeleitet.

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