EU nimmt mehr Tote im Mittelmeer in Kauf

Eine UNO-Menschenrechtsexpertin hat den von der EU befürworteten Verhaltenskodex für private Seenotretter im Mittelmeer kritisiert.

Die Vereinbarung, die Italien mit mehreren Hilfsorganisationen geschlossen hat, könne zu mehr Todesfällen führen, sagte gestern die UNO-Berichterstatterin für außergerichtliche und willkürliche Hinrichtungen, Agnes Callamard. UNO-Berichterstatter sind unabhängige Experten, die für die Vereinten Nationen Menschenrechtssituationen untersuchen.

Verstoß gegen Menschenrechtsverpflichtungen

Italien verstoße gegen seine Menschenrechtsverpflichtungen, wenn mit dem Kodex Rettungsaktionen verhindert und dadurch vorhersehbare und vermeidbare Todesfälle in Kauf genommen würden. „Der Kodex und der Aktionsplan legen nahe, dass Italien, die Kommission und die EU-Mitglieder das Risiko und die Realität von Todesfällen im Meer als einen Preis betrachten, den zu zahlen es wert ist, um Migranten und Flüchtlinge abzuschrecken“, so Callamard.

Flüchtlinge Gewalt ausgesetzt

Auch die Unterstützung der Kommission für die libysche Küstenwache kritisierte die Französin. Flüchtlinge nach Libyen zurückzuschaffen setze diese weiterer Gewalt aus. Es gebe Berichte, wonach die Küstenwache selbst auf Migrantenboote geschossen habe.

Hilfsschiffe sollen libysche Territorialgewässer meiden

Der Verhaltenskodex sieht unter anderem vor, dass Hilfsschiffe libysche Territorialgewässer meiden. Am Wochenende hatten Hilfsorganisationen wie Sea Eye, Ärzte ohne Grenzen und Save the Children angekündigt, sich vorläufig von Rettungseinsätzen zurückzuziehen. Als Gründe nannten sie Drohungen sowie Ankündigungen aus Libyen, die eigene Such- und Rettungszone auf internationale Gewässer auszuweiten.