Niederlande mitverantwortlich für Tod von Srebrenica-Opfern

Mehr als 20 Jahre nach dem Völkermord im bosnischen Srebrenica hat ein Gericht den niederländischen Staat für den Tod von rund 350 Muslimen mitverantwortlich gemacht.

Die niederländische UN-Truppe Dutchbat hätte diese Flüchtlinge besser schützen müssen, stellte das Zivilgericht heute in Den Haag in der Berufung fest. ´

„Das ist keine Gerechtigkeit“

Daher sei der Staat zum Teil haftbar. Damit bestätigte das Gericht das Urteil der ersten Instanz, die 2014 erstmals eine Mitverantwortung des Heimatstaates einer UN-Truppe für Kriegsverbrechen Dritter festgestellt hatte. Allerdings schränkte das Berufungsgericht die Haftung des Staates nun deutlich ein. Enttäuscht reagierten einige der bosnischen Klägerinnen, die nach Den Haag gereist waren. „Das ist keine Gerechtigkeit“, rief eine Frau im Gericht.

Im Bosnien-Krieg hatten serbische Einheiten unter dem Kommando von General Ratko Mladić im Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica überrannt. Die niederländischen Blauhelme, die die Zehntausenden Flüchtlinge schützen sollten, hatten die Enklave den Serben kampflos übergeben. Anschließend hatten die Serben rund 8.000 bosnische Männer und Buben ermordet. Srebrenica gilt als erster Völkermord auf europäischem Boden nach dem 2. Weltkrieg.

Zivilklage der „Mütter von Srebrenica“

Die Angehörigen von rund 6.000 Opfern, die „Mütter von Srebrenica“, hatten die Zivilklage gegen die Niederlande angestrengt und Berufung gegen das erste Urteil eingelegt. Nach ihrer Ansicht war Dutchbat auch für den Tod der tausenden übrigen Männer und Jungen mitverantwortlich. Doch das wies das Gericht ab. Munira Subašić, die Leiterin des Verbandes, hatte sich in einer ersten Reaktion nach dem Urteil enttäuscht gezeigt. Es würde sich um eine Diskriminierung der Opfer handeln, meinte Subašić.

Männer weggeschickt & ausgeliefert

Die UN-Soldaten hatten den Serben beim Abtransport von Zehntausenden Flüchtlingen aus Srebrenica geholfen, erkannte das Gericht. Doch auch ohne diese Unterstützung wären die Männer deportiert worden. Das galt allerdings nicht für etwa 350 Männer, die sich direkt auf dem Gelände des UN-Hauptquartiers befanden. Dutchbat hatte diese Männer weggeschickt und damit an die Serben ausgeliefert, obwohl es genug Signale von Massenerschießungen gab. Das war unrechtmäßig, sagte die Vorsitzende Richterin Gepke Dulek. „Damit wurde den Männern die Chance auf Überleben genommen.“

Staat nur zu 30 Prozent haftbar

In der ersten Instanz hatte das Gericht den Staat noch für voll haftbar erklärt. Das aber schränkte das Berufungsgericht nun auf 30 Prozent ein, ohne Details zu nennen. Die Höhe der finanziellen Entschädigung für die Angehörigen stand vorerst nicht fest.

Mladić-Urteil für Ende 2017 erwartet

Strafrechtlich muss sich für den Völkermord von Srebrenica noch Ex-General Mladić in Den Haag vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal verantworten. Ende 2017 wird das Urteil erwartet. Als politisch Verantwortlicher war Ex-Serbenführer Radovan Karadžić bereits zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt worden.