Zugang zu Asyl in EU wird immer schwieriger

Der Zugang zu Asyl in Europa für Flüchtende wird immer schwieriger. „Wir sehen eine Verschiebung der menschenrechtlichen Aspekte an die Grenze“, sagte die deutsche Soziologin Karin Scherschel im Gespräch mit der APA in Wien.

Scherschel, die an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden lehrt, ist in diesem Semester als Ustinov-Gastprofessorin am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien tätig.

Immer schwieriger, Grenze zu Europa zu überschreiten

Die Flüchtlingsexpertin übt Kritik an der Entwicklung, die es Asylsuchenden immer schwieriger macht, die Grenze zu Europa zu überschreiten und dadurch überhaupt Zugang zu einem Asylverfahren zu bekommen. Scherschel verwies dabei auf den EU-Türkei-Flüchtlingsdeal oder die Situation in den Hotspots in Griechenland und Italien: „Wir wissen, dass es dort unhaltbare Zustände gibt.“ Es habe zwar in der Europäischen Union in den vergangenen Jahrzehnten eine allmähliche Entwicklung hin zu gemeinsamen Migrationsstandards gegeben, erinnert die Soziologin. „Doch wer kann sie noch in Anspruch nehmen?“

Scherschel ist auf die Arbeitsmarktsituation von Flüchtlingen in Deutschland spezialisiert und hält heute zu diesem Thema einen Vortrag auf der vom Sir-Peter-Ustinov-Institut organisierten zweitägigen Fachkonferenz „Schaffen wir das? Zwei Jahre nach dem großen Flüchtlingszustrom“ an der Universität Wien.

„Integrationspolitischer Wechsel“ durch Merkel

Bei der Ankunft einer großen Zahl von Flüchtlingen in Deutschland im Jahr 2015 habe durch Kanzlerin Angela Merkel ein „integrationspolitischer Wechsel“ gegenüber Asylsuchenden stattgefunden, analysiert Scherschel. „Deutschland hatte sich ja sehr lange geweigert, Einwanderungsland zu sein“, erst zu Beginn der 2000er Jahre habe sich das langsam geändert. Gleichzeitig sei die politische Entwicklung in diesem Bereich auch als „ambivalent“ zu werten: „Es gab sehr viele Engagierte, aber auch einen Aufschwung der AfD.“

Aufenthalt an wirtschaftlichen Erfolg

Positiv sieht sie die Öffnung von Integrationskursen auch für Asylwerber, wobei dies in Deutschland nur für solche „mit guter Bleibeperspektive“ - wie Syrer oder Iraker - gilt. Als problematisch sieht die Expertin wiederum an, dass diese Kurse verpflichtend sind. Was die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt betrifft, so verweist Scherschel auf das Integrationsgesetz von 2016, das die Niederlassungserlaubnis an die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts bindet und zudem nach fünf Jahren eine Prüfung der Deutschkenntnisse und des Lebensunterhalts vorsieht. Ihrer Ansicht nach ist dies aber auch sehr problematisch, da der Aufenthalt an den wirtschaftlichen Erfolg geknüpft wird. Es gehe ja eigentlich um einen menschenrechtlich zu begründenden Aufenthalt.

„Sehr hohe Motivation“ der Flüchtlinge

Auch aufgrund der Vorschriften des Integrationsgesetzes sei eine „sehr hohe Motivation“ unter den Flüchtlingen festzustellen, eine Arbeit anzunehmen, betont Scherschel. Nach Studien finden Geflüchtete insbesondere in der Gastronomie oder bei Reinigungs- und Hilfstätigkeiten eine Erwerbsmöglichkeit.

Unterbringung im Pflegebereich

Der durchschnittliche Nettoverdienst von Flüchtlingen liegt dabei laut einer OECD-Studie mit 1.122 Euro/Monat deutlich unter dem der deutschen Gesamtbevölkerung (rund 1.800 Euro, Anm.). Weiters gebe es Bestrebungen, Flüchtlinge vermehrt im Pflegebereich unterzubringen, „da es dort einen Mangel gibt“. Die Soziologin verweist auf eine Untersuchung aus dem Jahr 2016, nachdem 14 Prozent der befragten Flüchtlinge in Deutschland erwerbstätig waren.

Schwierige Anerkennung von Abschlüssen

Schwieriger sieht es mit der Anerkennung von Abschlüssen aus: „Der deutsche Arbeitsmarkt ist - wie der österreichische - extrem auf Qualifikation ausgelegt.“ Oft lägen gar keine Papiere vor oder es gebe Probleme mit der Einordnung - nach Scherschels Erfahrung von ihrer eigenen Hochschule ein häufiges Problem bei Bildungsabschlüssen aus Drittstaaten. Pilotprojekte zur Kompetenzfeststellung von Geflüchteten steckten zudem noch in den Kinderschuhen.

„Das Gros weiterhin in Gemeinschaftsunterkünften“

Was die Unterbringung der Flüchtlinge betrifft, so „ist das Gros weiterhin in Gemeinschaftsunterkünften“, schildert Scherschel. In Deutschland verbringen Asylwerber nach ihrer Ankunft zunächst bis zu sechs Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung, erklärt die Soziologin, bevor sie nach einem bestimmten Schlüssel auf die Kommunen aufgeteilt, und dort meist in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden.

Argumente „gegen eine Obergrenze“

Kann Österreich von Deutschland etwas lernen? Scherschel ist in dieser Frage sehr zurückhaltend: „Ich sehe sehr viele Ähnlichkeiten. Ich kann keine Empfehlungen geben. Eher würde ich gegen eine Obergrenze argumentieren, aber das dann aufgrund von menschenrechtlichen Empfehlungen.“

(Petra Edlbacher/APA)

Wissenschaftliche Konferenz "Schaffen wir das?