Rechtsanwälte orten Missstände im Asylwesen

Die österreichischen Rechtsanwälte haben gestern Kritik an dem Asylwesen, „ewig gestrigen Überwachungsfantasien“ und der heimischen Gesetzgebung geübt.

Kammer-Präsident Rupert Wolff sprach bei der Präsentation des 43. „Wahrnehmungsberichtes“ des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK) von „großem Handlungsbedarf“ in mehreren Bereichen.

„Gravierende Missstände“ bei Aslyverfahren

Teils „gravierende Missstände“ orten die Rechtsanwälte bei Asylverfahren. So würde die Qualität der Fallprüfungen je nach Herkunftsland stark variieren. Auch die Erfahrungen mit den Außenstellen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) seien „sehr unterschiedlich“; „besonders negativ“ sei dabei die Außenstelle in Wiener Neustadt aufgefallen, so die ÖRAK. Für eine Stellungnahme zu einem 200-seitigen Länderinformationsblatt habe es dort etwa nur eine Frist von sieben Tagen gegeben, auch seien Verhandlungsprotokolle im Volltext an Dritte weitergegeben worden.

„Unangebrachter Umgangston“

Auch in Wien habe es „zahlreiche Vorfälle“ gegeben - etwa die Verweigerung der Akteneinsicht oder die Erlassung von Bescheiden vor Ablauf der Stellungnahmefrist. Beklagt wird seitens der Rechtsanwälte auch ein „unangebrachter Umgangston“ bei Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsverfahren (bei der MA 35) sowie die Weigerung, Anträge entgegenzunehmen. Auch die lange Verfahrensdauer von in der Regel zwei bis fünf Jahren oder auch Liegenlassen von eingeschriebenen Poststücken in der Posteingangsstelle steht in der Kritik der Anwälte.

„Nicht Rechtsstaatlichkeit, sondern Willkür im Mittelpunkt“

Wolff sprach von „untragbaren Zuständen, die eines Rechtsstaates unwürdig sind“. „Es entsteht der Eindruck, dass nicht Rechtsstaatlichkeit, sondern Willkür im Mittelpunkt steht“, sagte der Präsident.

„Massive Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte“

Kritik übte der ÖRAK-Präsident aber auch an den Ideen mancher Regierungsmitglieder zu stärkeren Überwachungsmaßnahmen. Wolff sprach von „massiven Eingriffen in Grund- und Freiheitsrechte durch die Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen und Polizeibefugnissen“. Als Beispiele nannte er etwa die Idee der Überwachung von „Gefährdern“ mittels elektronischer Fußfessel oder jene nach Vernetzung privater Videoüberwachungsanlagen sowie elektronischer Kennzeichenerfassung. Auch die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung oder Rufe nach Einschränkungen des Demonstrationsrechts lehnt die Kammer ab. „Die Angst der Bevölkerung vor Terroranschlägen darf nicht dafür missbraucht werden, den Behörden unverhältnismäßige, verfassungswidrige und nachweislich ungeeignete Befugnisse einzuräumen, die tief in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger eingreifen“, so Wolff.

„Mindeststandards“ bei Gesetzgebung

Bei der Gesetzgebung sollten „Mindeststandards“ eingeführt werden, die zwingend eingehalten werden müssen, so die Forderung Wolffs. Die Fristen zur Begutachtung seien derzeit oftmals viel zu kurz, teilweise würden Gesetze ohne jegliche Möglichkeit zur Begutachtung beschlossen. Auch habe man „widersprüchliche Folgenkostenabschätzungen“ ausgemacht. „Es entsteht der Eindruck, dass sich der Gesetzgeber teilweise die Folgekosten zurechtrechnet“, sagte der Präsident.

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