Deutschpflicht „unverhältnismäßiger“ Eingriff in Grundrechte

Ein Gutachten der Sozial- bzw. Verfassungsrechtler Walter Pfeil und Reinhard Klaushofer kritisiert mehrere der in Oberösterreich umgesetzten bzw. geplanten Verschärfungen für Migranten als verfassungs-, EU- oder völkerrechtswidrig.

Die Expertise wurde im Auftrag des OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus, der SPÖ und der Grünen erstellt. Die Deutschpflicht auf dem Schulhof erachten die Salzburger Professoren als „unverhältnismäßigen und daher unzulässigen Eingriff“ in die Grundrechte. Zuvor hatte bereits der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes die Festlegung der Pausensprache mit ähnlicher Begründung abgelehnt. Die Deutschpflicht über die Hausordnung zu implementieren, wie es nun in OÖ versucht wird, halten Pfeil und Klaushofer für ebenso verfassungswidrig wie eine Regelung per Landesgesetz.

Gegen Solidarität, Offenheit und Toleranz

Einem Gutachten der Innsbrucker Juristen Peter Pernthaler und Markus Juranek im Auftrag der FPÖ, wonach die Kommunikation in der Schule nicht als „Privatverkehr“ einzustufen und die Deutschpflicht daher zulässig sei, widersprechen Pfeil und Klaushofer. Sie weisen darauf hin, dass verfassungsmäßig deklarierte Grundwerte der Schule wie Solidarität, Offenheit und Toleranz dadurch ins Gegenteil verkehrt würden.

„Es ist sicher strittig“

Der Linzer Verfassungsrechtler Andreas Janko hält die Deutschpflicht hingegen für argumentierbar: Es herrsche mittlerweile Einigkeit, dass Sprache ein wesentlicher Faktor zur Integration und daher von erheblichem öffentlichem Interesse sei, sagte er im Gespräch mit dem ORF-Radio OÖ. „Jede Maßnahme, die einen Beitrag dazu leisten kann, rechtfertigt auch Eingriffe in menschenrechtliche Garantien“, so Janko, räumte aber ein: „Es ist sicher strittig.“

Verschärfungen im Wohn- und Sozialbereich

Das Gutachten von Pfeil und Klaushofer befasst sich neben der Deutschpflicht auch mit diversen Verschärfungen im Wohn- und Sozialbereich wie sie das schwarz-blaue Regierungsübereinkommen vorsieht. Hier sehen die Juristen vor allem zusätzliche Hürden - etwa Sprachkenntnisse oder längere Beschäftigungszeiten - für Asylwerber kritisch. Die Wohnbeihilfe müsse ihnen unter den gleichen Voraussetzungen gewährt werden wie österreichischen Staatsbürgern. Keine Bedenken haben sie hingegen bei subsidiär Schutzberechtigten. Analog die Einschätzung zur Kürzung oder Streichung von freiwilligen Sozialleistungen, etwa wegen „mangelnden Integrationswillens“: Sie sei bei Asylberechtigten, nicht aber bei subsidiär Schutzberechtigten, „mit hoher Wahrscheinlichkeit unionsrechtswidrig“, heißt es in dem Gutachten.

Bedenken zur Kürzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung

Zur Kürzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung äußerte Pfeil im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Presse“ ebenfalls Bedenken: Dass in Oberösterreich anerkannte Flüchtlinge von vornherein weniger Geld bekommen sei unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung unzulässig. Das Land hat die Mindestsicherung für befristet Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte von 914 Euro auf 365 plus einen an Auflagen gebundenen Integrationsbonus von 155 Euro - also in Summe 520 Euro - gekürzt.