Wahlkampfauftrittsverbot für türkische Politiker

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat sich in der „Welt am Sonntag“ für ein EU-weites Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker ausgesprochen.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hält dies für illusorisch und will national vorgehen. FPÖ-Vizeparteichef Norbert Hofer begrüßt die „Kehrtwende“ Kerns, hält eine EU-weite Vorgehensweise aber ebenso für wenig realistisch.

„Schädlich für die Integration“

„Eine gemeinsame Vorgehensweise der EU, um solche Wahlkampfauftritte zu verhindern, wäre sinnvoll“, sagte Kern. „Damit nicht einzelne Länder wie Deutschland, in denen Auftritte untersagt werden, unter Druck der Türkei geraten“. „Wir müssen hier auf nationaler Ebene glaubwürdig vorgehen“, sagte indes Mitterlehner gestern zur APA. „Wahlkampfauftritte türkischer Politiker sind in Österreich unerwünscht, weil damit Konflikte aus der Türkei in unser Land getragen werden. Das ist schädlich für die Integration“, sagte Mitterlehner.

Jede Versammlung „auf Punkt und Beistrich im Vorfeld geprüft“

„Schön dass sich der Kanzler nun doch umentschieden hat und sich gegen Erdoğan Versammlungen ausspricht nachdem er vor einigen Tagen noch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) dafür kritisiert hat“, meinte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) gestern zur APA. Auch er sprach sich wie sein Parteichef für nationale Maßnahmen aus, da eine EU-weite Lösung „definitiv zu lange dauern“ würde. „Jede Versammlung, gerade die im Namen Erdoğans, werde auf Punkt und Beistrich im Vorfeld geprüft“, sagte Sobotka. Sollte nur der geringste Verdacht einer möglichen tumultartigen Konfliktsituation bestehen, dann werde diese Versammlung untersagt.

Werben für Verfassungsänderung

Die Regierung in Ankara will Minister nach Deutschland schicken, um für die von Präsident Recep Tayyip Erdoğan angestrebte Verfassungsänderung zu werben. Mehrere solche Veranstaltungen wurden von den jeweiligen Gemeinden aber abgesagt, was in der Türkei für erheblichen Unmut sorgt. Erdoğan ging gestern bei einer Rede in Istanbul sogar so weit den deutschen Behörden „Nazi-Praktiken“ vorzuwerfen. Außenminister Kurz bezeichnete dies als absurde Aussage und meinte, „vor allem der Vergleich ist völlig jenseitig“. Auch er bekräftigte seine Forderung nach einem Auftrittsverbot türkischer Politiker in Österreich und forderte einen nationalen Schulterschluss in dieser Frage.

„Auf den Boden der Rechtsstaatlichkeit zurückkehren“

Mit Blick auf die geplante Verfassungsänderung in der Türkei kritisierte Kern, dass „die Einführung eines Präsidialsystems den Rechtsstaat in der Türkei noch weiter schwächen, die Gewaltenteilung einschränken und den Werten der Europäischen Union widersprechen würde“. Kern kritisierte zudem den türkischen Präsidenten angesichts der anhaltenden Verhaftungen von Oppositionellen und Journalisten in der Türkei: „Präsident Erdoğan muss endlich auf den Boden der Rechtsstaatlichkeit zurückkehren, von dem er sich zuletzt immer weiter entfernt hat.“

Sofortiger Abbruch der EU-Beitrittsgespräche

Kern bekräftigte auch seine Forderung nach einem sofortigen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. „Wir können nicht weiter mit einem Land über eine Mitgliedschaft verhandeln, das sich seit Jahren Schritt für Schritt von demokratischen Standards und rechtsstaatlichen Prinzipien entfernt.“ Auch die Vorbeitrittshilfen von 4,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 sollten umgehend gestrichen oder als Druckmittel für politische Reformen verwendet werden. „Wir sollten die Beziehungen zur Türkei neu ausrichten, ohne die EU-Beitrittsillusion“, sagte Kern.

Generelles Wahlkampf-Auftrittsverbot für Politiker aus dem Ausland

Dies forderte auch Hofer. „Solange es keine Informationen über Doppelstaatsbürgerschaften aus Ankara gibt, muss auch die Verleihung von Staatsbürgerschaften an Türken ausgesetzt werden“, verlangte Hofer. Auch müsse das Assoziierungsabkommens mit der Türkei sofort beendet werden. Der Dritte Nationalratspräsident verlangte ein generelles Wahlkampf-Auftrittsverbot für Politiker aus dem Ausland in Österreich, um damit ein Zeichen zu setzen, „damit auch die übrigen EU-Länder folgen“. „Jeder soll Wahlkampf in seiner Heimat machen“, meinte Team Stronach Klubobmann Robert Lugar. In Österreich lebten so viele Menschen anderer Nationalität. „Wenn die alle hier ihren Wahlkampf machen würden, kämen wir gar nicht mehr heraus aus dem Wahlkämpfen in Österreich“, so Lugar.