Wenig effektive Maßnahmen gegen Menschenhandel

In Österreich sind die Maßnahmen gegen Menschenhandel wenig effektiv. Das konstatierte die Kriminologin Katharina Beclin von der Universität Wien heute in Wien bei der Präsentation einer Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel.

In der Plattform haben sich NGOs und Experten mit dem Ziel zusammengeschlossen, in überparteilichen sachlichen Diskussionen Vorschläge zur Verbesserung zu erarbeiten.

Opfer nicht im Mittelpunkt des Interessens

Die politischen und rechtlichen Maßnahmen schützen laut Beclin häufig weder vor Ausbeutung noch stellen sie die Interessen der Opfer in den Mittelpunkt. Die Assistenzprofessorin am Institut für Strafrecht und Kriminologie nannte vier Kritikpunkte: Aufenthaltsrecht und finanzielle Unterstützung werden nur jenen Opfern gewährt, die bereit sind, in einem Strafverfahren auszusagen. Allerdings schrecken gerade die am schwersten traumatisierten Opfer - zu ihnen zählen zum Beispiel Zwangsprostituierte - vor Anzeigen und Zeugenaussagen zurück.

Gerichtliche Strafe bei Arbeistausbeutung

Ein Aufenthaltsrecht bis zum Ende des Verfahrens reiche nicht aus. „Welches Opfer sagt gegen gefährliche Täter aus, wenn ihm nach Ende des Strafverfahrens die Abschiebung ins Herkunftsland droht, wo es Vergeltungsmaßnahmen befürchten muss?“, meinte Beclin. Sie bemängelte auch das Fehlen eines Straftatbestands, der die Arbeitsausbeutung als solche mit gerichtlicher Strafe bedroht. Am effektivsten könnte der Staats gegen Ausbeutung vorgehen, wenn er Menschen, die sich zu Recht in Österreich aufhalten, den Zugang zum Arbeitsmarkt öffnet und in der Zeit, bis ein Job gefunden ist, eine tatsächlich bedarfsorientierte Grundsicherung ermöglicht.

Als Opfer von Menschenhandel identifizieren

„Wenn die Frauen uns ihre Geschichte erzählen, aber nicht bereit sind, eine Aussage bei der Polizei zu machen, gelten sie offiziell nicht als identifiziertes Opfer von Menschenhandel“, sagte Sr. Anna Mayrhofer von Solwodi. Diese NGO führt in Wien eine Wohnung für Frauen, die überwiegend in der Prostitution tätig waren. Die meisten von ihnen stammen aus Osteuropa oder Nigeria und kamen in der Hoffnung nach Österreich, der Armut zu entfliehen. Stattdessen landeten sie in der Abhängigkeit von Zuhältern. Wer offiziell nicht als Opfer identifiziert ist, bekommt vonseiten des Staats keine Unterstützung, was den Ausstieg aus dem Ausbeutungsverhältnis schwer möglich macht, wie Mayrhofer beklagte.

Opferrechte bei Betreuung durch NGO

Die in der Plattform vertretenen NGOs - darunter Caritas, Lefö, Ecpat und Men Via - schlagen deshalb vor, dass Betroffenen von Menschenhandel die vollen Opferrechte schon dann zustehen, wenn sie von einer spezialisierten NGO betreut werden. Das sollte unabhängig von einer Anzeige möglich sein, zu der Betroffene möglicherweise aus unterschiedlichen Gründen nicht bereit sind: Angst vor Repressalien durch die Täter, mangelndes Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden nach negativen Erfahrungen im Herkunftsland, im Fall einer Traumatisierung die Unfähigkeit, Erlebtes so zu schildern, dass es juristischen Ansprüchen genügt, oder die Aussicht auf Abschiebung. „Dass Opfer nicht kooperieren liegt an den Umständen, die der Staat geschaffen hat“, erklärte Beclin. Ihrer Ansicht nach sollte der Grundsatz „Im Zweifel für das Opfer“ gelten.

Minderjährige Opfer von Menschenhandel

Besonderen Nachholbedarf gibt es in Österreich bei der Identifizierung der Opfer von Kinderhandel, wie Astrid Winkler von Ecpat Österreich erklärte. Dieser Umstand hat Österreich wiederholt Kritik seitens der Europarats eingetragen. Neben verstärkten Bemühungen, minderjährige Opfer von Menschenhandel - hier geht es in erster Linie um die Begehung von Straftaten - zu identifizierten, urgiert Ecpat ein umfassendes Sicherheitskonzept: „Es braucht Gefährdungseinstufungen und geheime Wohnungen“, sagte Winkler und verwies auf die Niederlande als Vorbild. Dort werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einem Screening unterzogen und dann, wenn nötig, in geschützten Wohnungen untergebracht.

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