Flüchtlinge an Hochschulen: AMS-Chef bremst Euphorie

Die Bandbreite der Qualifikationen von Flüchtlingen ist enorm und reicht von Analphabeten bis Forschern. Nach Ansicht von AMS-Vorstand Johannes Kopf gebe es darunter „hochinteressante Leute“ für den Arbeitsmarkt.

Gleichzeitig sei es aber für Flüchtlinge wichtiger, zunächst andere Bedürfnisse zu befriedigen als etwa ein Hochschulstudium zu beginnen, so Kopf gestern beim Forum Alpbach.

Zunächst anderen Bedürfnissen nachkommen

Natürlich sei auch der Wunsch von Flüchtlingen nach Bildung zu befriedigen, betonte Kopf im Rahmen der Alpbacher Hochschulgespräche. Zunächst sei aber anderen Bedürfnissen wie etwa Wohnraum nachzukommen. Das Interesse von Flüchtlingen an tertiärer Ausbildung sei grundsätzlich da - zuvor wollten viele aber einmal ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können und etwa eine eigene Wohnung haben. „Ich bremse bei der Euphorie, dass mit der Zur-Verfügung-Stellung ausreichender Plätze an den Hochschulen diese von der breiten Masse der Flüchtlinge auch in Anspruch genommen werden“, so Kopf. Er verstehe, dass jemand, der in einer Flüchtlingsunterkunft auf engstem Raum mit vier anderen Personen zusammenlebe, sich zunächst einmal eine eigene Dusche oder eine eigene Wohnung leisten wolle. „Dazu muss er aber einmal Geld verdienen, bevor er auf die Idee kommt, an einer Fachhochschule zu studieren.“

„Riesen-Herausforderung“

Die dafür qualifizierten Personen auch tatsächlich an die Hochschulen zu bekommen, werde eine „Riesen-Herausforderung“, meinte Kopf. Einerseits müsse zunächst die Sprache gelernt werden, andererseits die finanziellen Voraussetzungen da sein - hier müsse man etwa auch mit Stipendien arbeiten.

Enorme Bandbreite der Qualifikationen

Bei einer nicht repräsentativen ersten Erhebung des AMS im Jänner habe sich eine enorme Bandbreite der Qualifikationen gezeigt, so Kopf. 25 Prozent der Syrer und 40 Prozent der Iraner hatten eine tertiäre Ausbildung, aber nur sieben Prozent der Afghanen. Gleichzeitig hätte aber ein Viertel der Afghanen überhaupt nie eine Schule besucht. „Wir wissen auch nicht, was wir mit jemandem machen, der 30 Jahre ist und zeit seines Lebens Soldat oder Schafhirte war.“

Viele Flüchtlinge in Peripherie untergebracht

Der Rektor der Fachhochschule Joanneum, Karl Peter Pfeiffer, bestätigte Kopfs Skepsis zum Teil: „Wir waren überrascht, dass es keinen großen Run an Geflüchteten zu uns gegeben hat.“ Viele der Flüchtlinge seien in der Peripherie untergebracht und wüssten gar nicht, wo die nächste Hochschule sei. Erst nach und nach hätten sich Personen gemeldet - „aber es waren nur wenige.“ Übrig geblieben seien vor allem solche, die bereits Deutschkurse besucht und schon einen hohen Bildungsstand hatten - vor allem männliche Syrer. Dazu kämen noch oft Anerkennungsprobleme mit Zeugnissen. Wichtig sei vor allem das Anbieten von mit Integration verbundenen Sprachkursen - also zusammen mit regulären Studierenden - sowie Online-Lehrveranstaltungen.

Umdenken in der Flüchtlingsdebatte

Isabella Buber-Ennser vom Institut für Demographie der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) plädierte für ein Umdenken in der Flüchtlingsdebatte: „Wir sollten weggehen von der Frage: ‚Wie viele sind gekommen‘ und hin zur Frage: ‚Wer ist gekommen‘.“ Diskutiert werden müsse, welche Einstellungen diese Personen hätten und welches Bildungsniveau. Den Fachhochschulen und Unis riet sie festzustellen, welche Kenntnisse geflüchtete Personen hätten und die Bildungssysteme der Herkunftsstaaten kennenzulernen. Daneben müsse der Spracherwerb gefördert und eventuell Englisch als Unterrichtssprache forciert werden - dies vor allem an den Fachhochschulen, die noch stärker internationale Studierende anziehen könnten.

Trauma bei Flüchtlingen allgegenwärtig

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