Gegen Aufweichung der Genfer Flüchtlingskonvention

In Europa scheint mit der Flüchtlingskrise die Genfer Flüchtlingskonvention und das Recht auf Asyl nicht mehr unantastbar.

Im Schatten von Terror und Integrationsängsten stellte sich der Präsident der Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Koen Lenaerts, demonstrativ vor diese. „Die Genfer Flüchtlingskonvention ist seit 60 Jahren in Kraft und es gab bisher keinen vernünftigen Vorschlag zur Änderung.“

„Unglaublicher Hilfsbereitschaft“ steht „unfassbarer Hass“

In der Bevölkerung steht unglaubliche Hilfsbereitschaft unfassbarem Hass gegenüber", warnte Hannes Tretter, Co-Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte, am Freitag im Rahmen der Wiener Advokatengespräche im Palais Ferstel. Die durch den Syrienkrieg ausgelöste Flüchtlingskrise hat deren 44. Europäische Präsidentenkonferenz eingeholt. Den Spagat zwischen Sicherheit, Souveränität, sozialem Frieden und akzeptierten Fluchtgründen zu finden sei schwierig, so der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Rupert Wolff.

„Recht auf Asyl“ anders gemeint

Stimmen, die die Genfer Flüchtlingskonvention aufweichen wollen, werden lauter. Darunter fällt der umstrittene ehemalige SPD-Politiker Thilo Sarazzin. Für ihn „war das Recht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention historisch anders gemeint“. Niemand habe „an massenhaften Zustrom aus Afrika und Asien“ gedacht. Er hält ein striktes Grenzregime für „alternativlos“. Wenn das Schengen-Abkommen nicht mehr funktioniere, müsse Deutschland eben nationalstaatlich handeln und die Grenzen schließen. Zudem plädierte er für ein neues, scharfes europäisches Asylrecht.

Rechtlich an Flüchtlingskonvention nicht geändert

Für EuGH-Präsident Lenaerts hat sich rechtlich an der Genfer Flüchtlingskonvention nichts geändert. Er weiß aber um die Grenzen seiner Institution. „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ „Wenn kein Verfahren anhängig sei, könne der Gerichtshof nicht einschreiten. Wenn er eingeschaltet wird, kann es rasch gehen, wie ein aktuelles Urteil zeigt.“ Der EuGH habe innerhalb drei Monaten eine Entscheidung gefällt, unter welchen Umständen Asylbewerber in Haft genommen werden dürfen, sagte Lenaerts im Gespräch mit der APA.

Rechtstaatlichkeit muss aufrecht bleiben

Die dramatische Lage an den sogenannten „Hot Spots“ auf den griechischen Inseln hat Conlan Smyth, Vorsitzender des Arbeitskreises „Migration“ des Verbandes der Europäischen Anwaltsvereinigungen (CCBE), zum Anlass genommen, um darauf zu dringen, dass „die Rechtstaatlichkeit aufrecht bleiben muss“. Auch und gerade aufgrund der Situation, dass der harte Winter keinen Rückgang der Flüchtlingszahlen gebracht habe. Im Gegenteil. Die türkische Küstenwache habe innerhalb der ersten drei Jännerwochen 4.100 Menschen vor dem Ertrinken gerettet, die die gefährliche Überfahrt von der türkischen Küste gewagt haben. 57 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, haben es nicht geschafft.

Grundrecht auf Asyl bereits unterminiert

Für Smyth haben Zäune und andere „physische Barrieren“ einzelner europäischer Länder das Grundrecht auf Asyl bereits unterminiert wenn nicht komplett außer Kraft gesetzt. „Viele sind dadurch gestrandet“ oder zurück nach Griechenland, wo die Lage „ziemlich prekär“ sei. Er gab zu bedenken, dass für 2016 wieder mehr als eine Million Flüchtlinge zu erwarten sei, die versuchten, nach Europa zu gelangen. Es werden mehr Frauen und Kinder kommen, so Smyth. Entweder sie würden vorausgeschickt oder sie seien der „Familiennachzug“. Auch die von Dänemark verabschiedeten Gesetze hält der Rechtsanwalt „mit dem Geist der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vereinbar“.