Direktor Krafl über Zusammenarbeit mit Havel | “Nichts kann diese Zeit übertreffen“

Die zahlreichen Veranstaltungen des Tschechischen Zentrums Wien beleben die kulturelle Szene in ganz Österreich mit stets neuen, innovativen Ideen. Eine davon ist die Ausstellung über das Werk von Václav Havel „Seine Freiheit, unsere Freiheit. Václav Havel und das Burgtheater“ im Wiener TheaterMuseum.

Martin Krafl, seit 2012 Direktor des Tschechischen Zentrum Wien, einer Institution, die ihr Augenmerk darauf legt, tschechisches Literatur-, Lied,- und Geschichtsgut dem österreichischen Publikum einfühlsam zu präsentieren. Für Krafl bedeutet diese, in Wien von ihm initiierte Ausstellung viel. Denn ihn verbinden sieben gemeinsame Jahre an der Prager Burg mit dem damaligen Präsidenten Havel. Als Sprecher des Präsidentenbüros und Leiter der Presseabteilung erinnert er sich an seinen damaligen Vorgesetzten als eine bescheidene, herzliche Persönlichkeit, die immer ein offenes Ohr für die Belange der Menschen hatte.

Václav Havel v ruzyňské věznici v roce 1990

Lidovky | Tomki Němec

„Es war vielleicht die schönste und intensivste Zeit meines Arbeitslebens, der ich so eigentlich zu früh begegnet bin, denn seit dieser Zeit habe ich das Gefühl, dass nichts mehr diese Zeit übertreffen kann“, lächelt Direktor Krafl. Dass jedoch auch seine Funktion als Direktor der Kulturinstitution in der traditionellen Wiener Herrengasse, dessen Programm schon ein Kreisel der renommiertesten Tschechischen Persönlichkeiten beherbergte, einen Funken Václav Havels innovativen Geist in sich trägt, ist wohl nur schwer zu leugnen.

Mit Österreich verband den Präsidenten, Autor und Dramaturg Václav Havel vieles. Während seine Theaterstücke vor der Samtenen Revolution in seinem Heimatland der Tschechoslowakei verboten waren, wurden seine Stücke einzig in Wien aufgeführt. Dies verschaffte ihm wohl auch einen europaweiten Ruf als Autor, ortet Krafl.

Ausstellung Theatermuseum - Plakat des Akademietheaters, Premiere von Václav Havel 1976

juriga

Für die Ausstellung im Theater Museum „Seine Freiheit, unsere Freiheit. Václav Havel und das Burgtheater“, die noch bis Mitte April im Theater Museum zu bewundern ist, gelang es Martin Krafl, den damaligen Burgtheaterdirektor Achim Benning zu begeistern. Ihm sei es zu verdanken, so Krafl, dass Fotos dieser Verbundenheit aus der Ferne, die zwischen Václav Havel und Österreich so lange andauerte, an einem dermaßen passenden Ort gezeigt werden können.

Ausstellung als Krafls „Schuld“ an Havel

Sieben Jahre verbrachte der heutige Direktor des Tschechischen Zentrums als Sprecher und Pressechef des Präsidentenbüros in enger Zusammenarbeit mit dem lange von Volk so herbeigesehnten Präsidenten Václav Havel. Der Titel der aktuellen Ausstellung in Wien „Seine Freiheit, unsere Freiheit“ erinnert Krafl vor allem an das Jahr 1989 und gebe wiederum auch einen kleinen Einblick in die Persönlichkeit Havels wieder.

Die Ausstellung sei auch ein Puzzle in seinem eigenen Leben, erzählt Martin Krafl: „Bei diesem Projekt zahle ich ihm vielleicht meine Schulden zurück, denn hier geht es nicht um seine politische Laufbahn, sondern um sein dramaturgisches Schaffen. Als ich nämlich zu ihm auf die Burg kam, musste ich zugeben, dass ich kein großer Fan seiner Theaterstücke war. Ich kam zum Entschluss, dass ich wohl noch einen Weg zu ihnen finden musste und das wusste Václav Havel. Wenn er heute sehen würde, dass ich ein Ausstellungsprojekt über sein dramaturgisches Schaffen mache, hätte ich bestimmt eine Freude damit, dass ich mich letztendlich dahin durchgearbeitet habe“.

Die tschechoslowakische Freiheit als Überlebenstrieb

Martin Krafl war gerade 18 Jahre alt, als die Samtene Revolution nicht nur die Freiheit Vaclav Havels bedeutete, sondern auch dem danach trachtenden Volk eine gewisse Freiheit brachte. Viele Erfahrungen in den darauffolgenden Jahren mit den damals als westlich geltenden Ländern ließen Martin Krafl zu erkennen, dass die Tschechoslowaken/innen sehr anpassungsfähig und flexibel zu sein scheinen, sich überall und zu allen Gegebenheiten leicht zurechtfinden. Das Motto könnte lauten: „Wir müssen überleben“.

Neben Havel stand im Jahr der Samtenen Revolution eine zweite Persönlichkeit zum Zweiten Mal am Kopf einer politischen Erneuerung. Das Gesicht des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ Alexander Dubček. Martin Krafl sieht in den beiden eine Ader der Geschichte, die von Parallelen, Zusammenarbeit, aber auch von Neid gekennzeichnet ist.

Václav Havels Filmregiedebüt im Programm des Tschechischen Zentrums

Das Tschechische Zentrum ist stolz darauf, ein Viertel seiner Veranstaltungen außerhalb von Wien in den Bundesländern präsentieren zu dürfen. Martin Krafl betraut die Zuhörer/innen von Rádio Dráťák Magazín mit dem kommenden Programm des tschechischen Zentrums, das unter anderem auch eine Präsentation von Václav Havels Filmregiedebüt „Odcházení“ in Anwesenheit seiner Ehefrau Dagmar Havlová beinhaltet.

Martin Krafl

ConnectingCulture.at

Martin Krafl, Direktor des Tschechischen Zentrums Wien

Neurung im zweiten Halbjahr

Das Tschechische Zentrum muss spätestens ab der zweiten Jahreshälfte auf ihren langjährigen Direktor verzichten. Seine Amtsperiode in Wien nähert sich dem Ende. Seine Energie etwas in Bewegung zu bringen, nimmt er in seine nächste berufliche Herausforderung mit. Sei es zumindest, um seine Schuld an Václav Havel zu begleichen.

Text | Yvonne Strujič | Volksgruppenredaktion Wien