Das Ende einer Kultkneipe in der Prager Altstadt

Verraucht, schmuddelig und doch typisch böhmisch: Das war die Prager Kultkneipe „Bei den Barmherzigen“. Jetzt wird der Zapfhahn für immer zugedreht. Die Prager Altstadt verändert sich.

Noch einmal knallt der Kellner die neuen Bierkrüge an diesem Freitag mit Schmackes auf den Tisch, ehe die alten ausgetrunken sind. Dann ergänzt der korpulente Mann die Strichliste auf Papier und wankt zum nächsten Tisch. Doch die Atmosphäre in der Kultkneipe „Bei den Barmherzigen“ in einer Seitenstraße der verwinkelten Prager Altstadt schwankt zwischen heiter und gedrückt. Die Kneipe muss schließen.

Kultkneipe "bei den barmherzigen" Prag

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Mietvertrag läuft nun aus

„Wir sind die Einzigen, die noch übriggeblieben waren“, sagt Koch Tomáš Slepička über die Kneipenlage in dem schmuddeligen Altstadtwinkel. Hier verwandelte sein Vater 1994 ein sozialistisches Staubsaugergeschäft in eine rustikale Kneipe im Stil der goldenen 20er Jahre. Nun lief der Mietvertrag aus. Ein Investor finanziert auf eigene Kosten eine Kernsanierung, das kann sich die Wirtsfamilie nicht leisten. „In unserer Kneipe konnte man noch die Atmosphäre des alten Prags atmen“, meint der 33-jährige Tomáš.

„Preise sind hier noch günstig“

Für die Stammgäste am Tisch gleich neben dem Ausschank ist es ein schwerer Schlag. „Alles richtet sich gegen uns Einheimische“, beklagt ein älterer Handwerker, der an den Händen noch Farbe hat. „Wo sollen wir jetzt noch auf ein Bier hingehen?“, fragt er. Hier seien die Preise noch günstig gewesen - der halbe Liter Pils kostete 29 Kronen (etwa 1,10 Euro). Das Gulasch mit Knödel gab es für drei Euro. Manche Touristen waren weniger erfreut und klagten über Tricksereien mit der Rechnung - auch das ein typisches Prager Problem.

Kultkneipe in der Prager Altstadt "bei den barmherzigen"

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Die Altstadt verändert sich. Die Luxus-Boutiquen breiten sich längst von der Flaniermeile Pariser Straße in die Seitenstraßen der Josefstadt, dem früheren jüdischen Viertel, aus. Es folgen die Nobelrestaurants für die zahlungskräftige Klientel. Der Stadtteil verliert seit Jahrzehnten Einwohner. Geblieben sind rund 10.000 Bewohner.

Bar „La Casa Blu“ dank ihrer Fans gerettet

Nur wenige Schritte entfernt von den „Barmherzigen“ spielte sich im März ein weiteres Kneipendrama ab. Der Bar „La Casa Blu“, ein gemütliches Stück Südamerika in Prag, drohte die Schließung, weil der Stadtteil den Mietvertrag nicht verlängern wollte. Doch die Fans organisierten sich über soziale Netzwerke und bildeten eine Menschenkette um den Häuserblock. Die Prager Institution durfte bleiben.

Michael Heitmann, dpa